Schutz der Nation, nicht des Staates <span class="pagenumber">[184]</span>

151 Mit der Bezeichnung »Sturmabteilung« bediente sich die junge Partei einer Begrifflichkeit, die durch den Ersten Weltkrieg zum Mythos geworden war. Sturm-Bataillone hatten sich seit 1916 zu einer schlachtentscheidenden Schwerpunktwaffe entwickelt; ihre Angehörigen galten als Elite der deutschen Armee. Nach 1918 wurden eine ganze Reihe von Sturm-Bataillonen zum Kern verschiedener Freikorps. Mit dieser Bezeichnung wurde daher auch ein Anspruch formuliert. Das galt im Übrigen auch für den Stoßtrupp Adolf Hitler, der Keimzelle der späteren SS. Die Bezeichnung »Stoßtrupp« war im Ersten Weltkrieg legendär geworden und sollte an die kleinste taktische Formation des Sturm-Bataillons erinnern. Aufschlussreich für die Genese der frühen SA ist ein Bericht der Münchner Polizei über die Versammlung der NSDAP vom 5. 9. 1920 im Kindl-Keller: »Die Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei hat innerhalb der Partei eine Versammlungs-Hauspolizei gebildet, die jeden Störenfried aus dem Versammlungslokal entfernt. Die Ordnungsleute tragen am linken Oberarm rote Binden, an denen auf weißer Scheibe ein Hakenkreuz angebracht ist. Diese Organisation, die in stärkeren Trupps jeweils über das ganze Versammlungslokal verteilt ist, wird schon durch ihr Vorhandensein bei Gegnern, die mit Sprengungsabsichten erschienen sind, die von der Leitung gewollte Wirkung haben. Im Fall notwendigen Eingreifens ist die Organisation im Stand, ohne Zuhilfenahme der Polizei die Ruhe und Ordnung im Saal wiederherzustellen.«

Vgl. StA München, Pol. Dir., 6698: Polizeibericht vom 5. 9. 1920 (Zitat); Anm. 20 in diesem Kapitel.

152 Obwohl die NSDAP im Dezember 1926 mit knapp 50.000 Mitgliedern noch eine ziemlich kleine Partei war, wurde ihre Führung bereits professionell und gewissermaßen »auf Zuwachs« organisiert. Gemäß den Richtlinien der NSDAP vom 1. 7. 1926 bestand deren Reichsleitung aus fünf »Abteilungen«: Hauptgeschäftsstelle, Propaganda und Presse, Organisation, Kassenverwaltung sowie Oberste SA-Führung. Letztere lag seit dem 1. 11. 1926 bei Franz Pfeffer von Salomon; in dieser Funktion war er Hitler als Parteivorsitzendem direkt unterstellt. Dass Pfeffer von Salomon am 29. 8. 1930 von seinem Amt zurücktrat und Hitler daraufhin die Oberste Führung von SA und SS am 2. 9. 1930 selbst übernahm, ist ein deutlicher Hinweis auf die wachsende Entfremdung zwischen der SA und der »Politischen Organisation« der NSDAP. Während die Führung der SA seit dem 1. 1. 1931 bei Ernst Röhm als Stabschef der SA lag, blieb allein Hitler die zentrale Integrationsfigur, in der sich die Einheit von NSDAP und SA manifestierte.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 146, Bd. II/1, Dok. 1, 43, 44, Bd. III/3, Dok. 99 – 103; Tyrell (Hrsg.), Führer, S. 352; Longerich, Bataillone, S. 52 – 59, 93 – 115.

153 Institute der NSDAP lassen sich zu diesem Zeitpunkt nicht nachweisen; auch später, als sich die NSDAP organisatorisch immer mehr ausdifferenzierte, hat es – zumindest bis 1933 – derartige Einrichtungen nicht gegeben. Allerdings erwähnt der Starnberger Zahnarzt Friedrich Krohn, seit 1913 Mitglied der Thule-Gesellschaft, dass er bereits 1918 ein »Nationalsozialistisches Institut« gegründet habe, »welches der wissenschaftlichen Erhärtung nationaler und sozialistischer Lehren und Politik dienen sollte«. Sein »Institut« habe »insgesamt 2.500 Bände und zahlreiches Kartenmaterial« besessen, das von seinen »Partei- und Gesinnungsfreunden«, darunter auch Hitler, bis 1921 häufig genutzt worden sei. Er, Krohn, habe Hitler, für den ein »hastiges und etwas wahlloses Studium der Lektüre« typisch gewesen sei, insgesamt 102 Schriften zur Verfügung gestellt. Nach seinem Bruch mit Hitler im Jahr 1922 habe er das Institut geschlossen »und Bücher nur noch an Freunde anderer nationaler Organisationen entliehen«. Tatsächlich begann die NSDAP Ende 1921, mit der Errichtung ihrer neuen Geschäftsstelle, eine eigene Bücherei aufzubauen. Nachdem diese Bücher 1923 beschlagnahmt worden waren, begann die Führung der NSDAP – so Hitler am 21. 1. 1926 – mit dem Aufbau einer neuen »Parteibibliothek«. Daneben könnte Hitler auch an die »Archive« der NSDAP gedacht haben, die damals bereits in Ansätzen existierten: die »Sammlung Rehse«, das Partei-Archiv sowie das Zeitungsausschnitts-Archiv der NSDAP. Erstere Bezeichnung trug ein Sammelsurium aus Broschüren, Zeitungsausschnitten, Plakaten, Flugblättern, Zeitschriften, Archivalien, Büchern, Fotos, Schallplatten, Uniformteilen usw., das der Münchner Fotograf Friedrich Rehse seit 1914 als Archiv für Zeitgeschichte und Publizistik zusammengetragen hatte. Da Rehse als Anhänger der NSDAP seit 1921 persönliche Kontakte zu Hitler besaß, erwarb die NSDAP Rehses Sammlung 1929 für 80.000 Reichsmark. Die Sammlung, die Rehse nun als Angestellter der NSDAP betreute, unterstand als Archiv und Museum für Zeitgeschichte (Hauptamt IV) dem Reichsschatzmeister der NSDAP und war ab 1935 in der Münchner Residenz untergebracht. Daneben existierte seit September 1921 ein Partei-Archiv sowie seit 1926 ein Zeitungsausschnitts-Archiv, das damals von Mathilde von Scheubner-Richter, der Witwe des am 9. 11. 1923 umgekommenen Putschisten Max Erwin von Scheubner-Richter, gemeinsam mit Heinrich Himmler betrieben wurde. Diese Sammlungen wurden im Juni 1935 von dem am 15. 1. 1934 ins Leben gerufenen Hauptarchiv der NSDAP übernommen.

Vgl. IfZ-Archiv, ZS 89 – 1: Fragebogen Friedrich Kohn über Adolf Hitler (1952), Bl. 7 – 15 (Zitate); Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 287, 317, 321; Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 99; Zehn Jahre Deutsche Geschichte in Schriften und Bildern 1914 bis 1924; Dresler (Hrsg.), Dokumente; Tyrell, Trommler, S. 85, 209, 228, 243, 280; Booms, »Sammlung Rehse«; Schütz, »Sammlung Rehse«; Gangelmeyer, Parteiarchivwesen, S. 57 – 63.

154 Dass auch die SA regelmäßig die Versammlungen politischer Gegner störte oder gar »sprengte«, wird von Hitler geflissentlich unterschlagen. Wie sehr sich dabei politische und materielle Interessen miteinander verbinden konnten, illustriert eine Rede, die Erhard Auer (SPD) am 21. 11. 1922 im Bayerischen Landtag hielt; dort zitierte Auer ein Schreiben des Kreisverbands München der DDP, in der dieser schilderte, wie eine seiner Versammlungen am 3. 10. 1922 durch SA-Männer gesprengt wurde. Dabei hätten diese »zwei völlig unbeteiligten Versammlungsbesuchern die Taschenuhren entwendet«. Allerdings war der Anteil der KPD an Versammlungsstörungen in der Endphase der Weimarer Republik tatsächlich größer als jener der NSDAP, wie die Statistiken des Preußischen Ministeriums des Innern belegen.

Vgl. Verhandlungen des Bayerischen Landtags. III. Tagung 1922/23, Stenographische Berichte Nr. 144 bis 179, Bd. VII, München 1923, S. 191 f.; Kap. II/7, Anm. 126, 127.

im Gegenteil den Schutz der Nation zu übernehmen hat gegen diejenigen, die Volk und Staat zu vernichten drohen#1937: drohen ersetzt durch: drohten;
1939: drohen;
1944: drohten.

Nach der Versammlungsschlacht im Münchner#1930: Münchner ersetzt durch: Münchener Hofbräuhaus150 erhielt die Ordnertruppe einmal für immer, zur dauernden Erinnerung an die heldenmütigen#1944: heldenmütigen ersetzt durch: heldenhaften Sturmangriffe der kleinen Zahl von damals, den Namen Sturmabteilung.151 Wie schon diese Bezeichnung sagt, stellt sie damit nur eine Abteilung der Bewegung dar.152 Sie ist ein Glied in ihr, genau so wie die Propaganda, die Presse, die wissenschaftlichen Institute153 und anderes lediglich Glieder der Partei darstellen#1930: darstellen ersetzt durch: bilden.

Wie notwendig ihr Ausbau war, konnten wir nicht nur in dieser denkwürdigen Versammlung sehen, sondern auch bei unserem Versuch, die Bewegung aus München allmählich in das übrige Deutschland hinauszutreiben. Sowie wir dem Marxismus gefährlich erschienen waren, ließ dieser keine Gelegenheit unbenützt#1944: unbenützt ersetzt durch: unbenutzt, um jeden Versuch einer nationalsozialistischen Versammlung schon im Keime zu ersticken bzw.#1929: bzw. ersetzt durch: beziehungsweise deren Abhaltung durch Sprengung zu verhindern.154 Dabei war es ganz selbstverständlich, daß die Parteiorganisationen des Marxismus aller Schattierungen jede solche Absicht und jeden solchen Vorfall in den Vertretungskörpern blind deckten. Was sollte man aber zu bürgerlichen Parteien sagen, die, selbst vom Marxismus niedergedroschen155, es in vielen Orten gar nicht wagen durften, ihre Redner öffentlich auftreten zu lassen und die trotzdem mit einer ganz unverständlichen, blöden Befriedigung für uns irgendwie ungünstig verlaufende Kämpfe gegen den Marxismus verfolgten.#1939: Punkt ersetzt durch: Fragezeichen;
1944: Ausrufezeichen Sie waren glücklich, daß der, der von ihnen selbst nicht bezwungen werden konnte, der sie vielmehr selbst bezwang, auch von uns nicht zu brechen war. Was sollte man sagen zu Staatsbeamten, Polizeipräsidenten, ja selbst Ministern, die mit wirklich unanständiger Gesinnungslosigkeit sich nach außen als »nationale« Männer hinzustellen beliebten, bei allen Auseinandersetzungen aber, die wir Nationalsozialisten mit dem Marxismus hatten, diesem die schmählichsten Handlangerdienste leisteten.#1939: Punkt ersetzt durch: Fragezeichen;
1944: Ausrufezeichen156 Was sollte man zu Menschen sagen, die in ihrer Selbsterniedrigung so weit gingen, daß sie für ein erbärmliches Lob jüdischer Zeitungen157 ohne weiteres die Männer