Band II, Kapitel 7
Ich habe 1919/20 und auch 1921 persönlich sogenannte bürgerliche Versammlungen besucht.1 Sie übten auf mich immer denselben Eindruck aus wie in meiner Jugend der befohlene Löffel Lebertran. Man soll ihn nehmen, und er soll sehr gut sein, aber er schmeckt scheußlich! Würde man das deutsche Volk mit Stricken zusammenbinden und es mit Gewalt in diese bürgerlichen »Kundgebungen« hineinziehen und bis nach Schluß jeder Vorstellung die Türen absperren und keinen herauslassen, so könnte das vielleicht in einigen Jahrhunderten auch zum Erfolge führen. Allerdings muß ich offen gestehen, daß mich dann wahrscheinlich das Leben nicht mehr freuen würde und ich dann lieber auch gar kein Deutscher mehr sein wollte. Nachdem man aber das, Gott sei Lob und Dank, nicht kann, soll man sich nur nicht wundern, wenn das gesunde und#1944: gestrichen: und unverdorbene Volk »bürgerliche Massenversammlungen«#1937: »bürgerliche Massenversammlungen« ersetzt durch: bürgerliche »Massenversammlungen«;
1939: »bürgerliche Massenversammlungen« meidet wie der Teufel das Weihwasser.
Ich habe sie kennengelernt, diese Propheten einer bürgerlichen Weltanschauung und wundere mich wirklich nicht, sondern verstehe, warum sie dem gesprochenen Wort keinerlei Bedeutung beimessen.2 Ich besuchte damals Versammlungen der Demokraten3, der Deutschnationalen#1929: Deutschnationalen ersetzt durch: Deutschnationalen, der Deutsch-Volksparteiler 4 und auch der#1929: eingefügt: Bayerischen Volksparteiler5 (bayer. Zentrum). Was einem dabei sofort auffiel, war die homogene Geschlossenheit der Zuhörer. Es waren fast immer nur Parteiangehörige, die an einer solchen Kundgebung teilnahmen. Das Ganze, ohne jede Disziplin, glich mehr einem gähnenden Kartenspielklub als einer Versammlung des Volkes, das soeben seine größte Revolution durchgemacht [hatte]. Um diese friedliche Stimmung zu erhalten, geschah denn auch von