<span class="pagenumber"></span>2. Kapitel Der Staat

1 In Wirklichkeit profitierte die NSDAP nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik in der »Ordnungszelle Bayern« zunächst von ausgesprochen günstigen politischen Rahmenbedingungen. Während des Ersten Weltkriegs bereits ein Zentrum »alldeutscher« Propaganda, entwickelte sich München in den frühen 1920er Jahren zu einem Sammelbecken völkisch-nationalistischer, radikal antirepublikanischer und militaristischer Kräfte. Auch ein Teil der politischen und gesellschaftlichen Eliten Münchens reagierte auf die NSDAP betont nachsichtig, häufig mit offener Sympathie. Von besonderer Bedeutung war die Protektion durch Ernst Pöhner, der von Mai 1919 bis September 1921 als Münchner Polizeipräsident amtierte und sich im November 1923 am Hitler-Putsch beteiligte. Seit 1924 begannen sich die politischen Rahmenbedingungen für die NSDAP in Bayern jedoch deutlich zu verschlechtern, als ihr zunehmend auch innerhalb der BVP bedeutende politische Gegner erwuchsen.

Vgl. Fenske, Konservativismus, S. 62 f., 143 – 171; Auerbach, Lehrjahre, bes.S. 18 – 30; Piper, Anfänge; Kap. I/12, Anm. 205, 206; Anm. 7 in diesem Kapitel; Kap. II/9, Anm. 161.

4 Die politische Haltung der Weimarer Staatsrechtslehrer war sehr viel heterogener als von Hitler behauptet. Einer Gruppe verfassungs- und republiktreuer Staatsrechtslehrer, deren gefestigte demokratische Haltung Hitlers Unterstellung des Opportunismus Lügen straft, standen Staatsrechtler gegenüber, welche die demokratisch-parlamentarische Ordnung der Weimarer Republik offen ablehnten. Zur ersten Gruppe gehörten vor allem der »Vater« der Weimarer Reichsverfassung Hugo Preuß, ferner Gerhard Anschütz, Hermann Heller, Hans Kelsen, Gustav Radbruch und Richard Thoma. Der zweiten Gruppe sind zuvorderst Carl Schmitt, Otto Koellreutter und Hans Helfritz zuzurechnen. Eine dritte Gruppe bildeten die zahlreichen Staatsrechtler, die nach 1918 eine pragmatische, »vernunftrepublikanische« Haltung einnahmen. Sie arrangierten sich in der Praxis mit der Weimarer Reichsverfassung, ohne sich aber mit ihr zu identifizieren.

Vgl. Gusy, Vernunftrepublikanismus; Groh, Staatsrechtslehrer; Neumann, Antipoden.

2. Kapitel
Der Staat

Schon in den Jahren 1920/21 wurde unserer jungen Bewegung aus den Kreisen der heutigen überlebten bürgerlichen Welt immer wieder vorgehalten, daß unsere Stellung zum heutigen Staat eine ablehnende sei, woraus dann#1929: gestrichen: dann das parteipolitische Strauchrittertum aller Richtungen die Berechtigung ableitete, den Unterdrückungskampf gegen die junge, unbequeme Verkünderin einer neuen Weltanschauung mit allen Mitteln aufnehmen zu dürfen.1 Man hat#1929: eingefügt: dabei freilich dabei#1929: gestrichen: dabei mit Absicht vergessen, daß sich die heutige bürgerliche Welt selber unter dem Begriff Staat#1937: Staat ersetzt durch: »Staat«;
1939: Staat gar nichts Einheitliches mehr vorzustellen vermag, daß es eine einheitliche Definition dafür nicht gibt und auch nicht geben kann. Pflegen doch die Erklärer meistens#1929: gestrichen: meistens auf unseren staatlichen Hochschulen#1929: eingefügt: oft in Gestalt von Staatsrechtslehrern zu sitzen, deren höchste Aufgabe es sein muß, für die jeweilige mehr oder minder glückliche Existenz ihres brotspendenden Nährquells Erklärungen und Deutungen zu finden. Je unmöglicher solch#1929: gestrichen: solch ein Staat beschaffen ist, um so undurchsichtiger, gekünstelter und unverständlicher sind die Definitionen über seinen Daseinszweck. Was sollte z. B. auch ein ehemaliger#1929: auch ein ehemaliger ersetzt durch: ehemals ein;
1944: ein
1929: geschrieben haben, in ersetzt durch: schreiben in kaiserlich-königlicher Universitätsprofessor2 über Sinn und Zweck des Staates geschrieben haben, in# einem Lande, dessen staatliches Dasein wohl die größte Mißgeburt des 20. Jahrhunderts#1944: des 20. Jahrhunderts ersetzt durch: aller Zeiten3 verkörperte? Eine schwere Aufgabe, wenn man bedenkt, daß es für den heutigen Lehrer in staatsrechtlichen Dingen weniger eine Verpflichtung zur Wahrheit als vielmehr eine Bindung an einen bestimmten Zweck gibt. Der Zweck aber lautet: Erhaltung um jeden Preis des jeweils in Frage kommenden Monstrums von menschlichem Mechanismus, jetzt Staat genannt.4 Da

2. KapitelDer Staat

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