Band II, Kapitel 10
staaten in dem Augenblick in ein Nichts zusammensinken, in dem die wesentlichste Verkörperung der politischen Entwicklung dieser Staaten, die monarchische Staatsform und ihre Dynastien, ausgeschaltet wurden.106 Eine ganze Anzahl dieser »Staatsgebilde« verlor dadurch so sehr jeglichen inneren Halt, daß sie damit von selbst auf ein weiteres Dasein Verzicht leisteten und sich aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen mit anderen zusammenschlossen oder aus freiem Willen in größeren aufgingen107; der schlagendste Beweis für die außerordentliche Schwäche der tatsächlichen Souveränität dieser kleinen Gebilde und der geringen Einschätzung, die sie selbst bei ihren eigenen Bürgern fanden.
Hat also die Beseitigung der monarchischen Staatsform und ihrer Träger dem bundesstaatlichen Charakter des Reiches schon einen starken Stoß versetzt, so noch mehr die Übernahme der aus dem »Friedens«vertrag resultierenden Verpflichtungen.
Daß die bisher bei den Ländern liegende Finanzhoheit an das Reich verlorenging108, war im selben Augenblick natürlich und selbstverständlich, in welchem das Reich durch den verlorenen Krieg einer finanziellen Verpflichtung unterworfen wurde, die durch Einzelbeiträge der Länder niemals mehr ihre Deckung gefunden hätte.109 Auch die weiteren Schritte, die zur Reichsübernahme#1929: Reichsübernahme ersetzt durch: Übernahme von Post und Eisenbahn#1929: eingefügt: durch das Reich führten110, waren zwangsläufige Auswirkungen der durch die Friedensverträge allmählich in die Wege geleiteten Versklavung unseres Volkes.111 Das Reich war gezwungen, sich in den geschlossenen Besitz immer neuer Werte zu setzen, um den Verpflichtungen, die infolge weiterer Auspressungen eintraten, genügen zu können.112
So wahnwitzig häufig die Formen waren, unter denen sich die Verreichlichung vollzog, so logisch und selbstverständlich war der Vorgang an sich. Schuld daran trugen die Parteien und Männer, die einst nicht alles getan hatten, um den Krieg siegreich zu beenden. Schuld daran hatten, besonders in Bayern, die Parteien, die in Verfolgung egoistischer Selbstziele dem Reichsgedanken während des Krieges entzogen hatten, was sie nach dem Verlust desselben zehnfach ersetzen mußten.113 Rächende Geschichte! Nur kam die Strafe des Himmels selten so jäh nach der Versündigung als in diesem Falle.