Der Sinn der Monarchie <span class="pagenumber">[251]</span>

60 Hitlers Verhältnis zur monarchischen Staatsform war zwiespältig. Nach seiner Auffassung legitimierte sich diese allein durch die »Führer«-Eigenschaften des jeweiligen Monarchen. Das Volk brauche »einen Punkt, in dem die Gedanken der Menschen sich treffen«, so Hitler noch am 26. 7. 1941.  »Ist das ein Herrscher vom Range Friedrichs des Großen, dann kann sich das Volk glücklich preisen. Sitzt da aber ein Durchschnittsmonarch, dann schon besser eine Republik!« Diese Position korreliert mit seiner im Kapitel Der Staat (II/2) erläuterten Ansicht, die Gestalt der Staatsform sei sekundär, solange sie den Interessen und der »Erhaltung« des Volkstums diene. Dass Hitler die Monarchie, deren Restauration nur eine kleine Minderheit der Weimarer Rechten wünschte, nicht bedingungslos ablehnte, stieß in den eigenen Reihen auf Unverständnis. Als Hitler 1926 dann zur viel diskutierten Frage der entschädigungslosen Fürstenenteignung eine ablehnende Stellung bezog und in rhetorischer Anlehnung an Wilhelm II. betonte: »Für uns gibt es heute keine Fürsten, sondern nur Deutsche«, war Goebbels wie vor den Kopf geschlagen. Er notierte in sein Tagebuch: »Welch ein Hitler? Ein Reaktionär? […] Fürstenabfindung! Recht muß Recht bleiben. Auch den Fürsten. Frage des Privateigentums nicht erschüttern! Grauenvoll!«

Vgl. Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 101, Zitat S. 296; Hitler, Monologe, Zitat S. 47; Goebbels, Tagebücher, Teil I, Bd. I/2, S. 55 f.; Schreyer, Monarchismus; Machtan, Kaisersohn, S. 147 – 161; Büttner, Weimar, S. 375 – 377; Kap. II/2, Anm. 34; Kap. II/10, Anm. 56.

62 Diese Heroisierung Wilhelms I. überrascht. Der Kaiser war für Hitler kein politisches Vorbild wie etwa Friedrich der Große; in den Reden und Schriften Hitlers vor und nach 1933 taucht Wilhelm I. daher kaum auf. Die Assoziation des Kaisers mit der Tugend der Weisheit war indes nicht ungewöhnlich und gehörte – wie bei vielen anderen Monarchen – zu den gängigen Topoi der Erinnerungsliteratur. In seiner zum 100. Geburtstag Wilhelms I. veröffentlichten, mehrfach neu aufgelegten Festschrift Unser Heldenkaiser (1897) sprach der Historiker Wilhelm Oncken unter anderem von einer »schlechthin überlegene[n] Weisheit und Sachkunde«, die Wilhelm bereits als preußischen König ausgezeichnet habe. Die Verehrung Wilhelms I. kannte jedoch auch Grenzen und stand weit hinter der von Bismarck zurück. So blieb auch die Initiative Wilhelms II., für seinen verstorbenen Großvater den Beinamen »der Große« durchzusetzen, letztlich ohne Erfolg. Die völkische Bewegung interessierte sich ebenfalls nur am Rande für Wilhelm I., dessen »letzte Regierungszeit« Adolf Bartels 1896 als »im ganzen dumpf und trübe« beschrieb.

Vgl. Oncken, Heldenkaiser, Zitat S. 53; Rösner, Bartels, Zitat S. 875; Rose, Wilhelm I.

auf das ernstlichste warnen und zu bestimmen versuchen. Er wird sich dabei nicht auf den Standpunkt stellen und stellen dürfen, daß es Seiner Majestät dabei frei bleibe, doch noch nach seinem Willen zu handeln, auch wenn dies ersichtlich zu einem Unheil führen muß und wird, sondern er wird in einem solchen Falle die Monarchie vor dem Monarchen in Schutz zu nehmen haben und zwar auf jede Gefahr hin. Denn, wenn# 1926: Denn, wenn ersetzt durch: Wenn der Wert dieser Einrichtung in der jeweiligen Person des Monarchen läge, dann wäre dies die schlechteste Institution, die sich nur denken läßt, denn die Monarchen sind nur in den seltensten Fällen Auslesen der Weisheit und Vernunft oder auch nur des Charakters, wie man dies gerne hinstellen möchte. Das glauben nur die berufsmäßigen Kriecher und Schleicher, aber alle geraden Menschen – und dies sind denn doch noch die wertvollsten des Staates – werden sich durch das Vertreten einer solchen unsinnigen Ansicht# 1930: Vertreten einer solchen unsinnigen Ansicht ersetzt durch: Vertreten eines solchen Unsinns nur zurückgestoßen fühlen. Für sie ist eben Geschichte Geschichte und Wahrheit Wahrheit, auch wenn es sich dabei um Monarchen handelt. Nein, das Glück, einen großen Monarchen als großen Menschen zu besitzen, wird den Völkern so selten zuteil, daß sie schon zufrieden sein müssen, wenn die Bosheit des Schicksals wenigstens vom allerärgsten Mißgriff absieht.60

Somit kann der Wert und die Bedeutung der monarchischen Idee eben# 1926: gestrichen: eben nicht in der Person des Monarchen selber liegen, außer der Himmel entschließt sich, die Krone einem genialen Helden wie Friedrich dem Großen61 oder einem weisen Charakter wie Wilhelm I.62 auf die Schläfen zu drücken. Dies kommt in Jahrhunderten einmal vor und kaum öfters. Sonst aber tritt die Idee hier vor die Person, indem nun der Sinn dieser Einrichtung ausschließlich in der Institution an sich zu liegen hat. Damit aber fällt der Monarch selber in den Kreis des Dienens. Auch er ist nun nur mehr ein Rad in diesem Werke und ist als solches demselben verpflichtet. Auch er hat sich nun dem höheren Zwecke# 1944: Zwecke ersetzt durch: Zweck zu fügen, und »monarchisch« ist dann nicht mehr, wer den Träger der Krone schweigend an derselben freveln läßt, sondern wer dies verhütet. Wäre es anders# 1930: Wäre es anders ersetzt durch: Läge nicht der Sinn in der Idee, sondern in der »geheiligten« Person um jeden Preis , dürfte ja nicht einmal die Absetzung eines ersichtlichen# 1926: ersichtlichen ersetzt durch: ersichtlich Geisteskranken als# 1930: Geisteskranken als ersetzt durch: geisteskranken