Ohne Idee keine Kampfkraft <span class="pagenumber">[180]</span>

127 Der Kyffhäuser-Ausschuss der Vereinigten Deutschen Kriegerverbände (KB) – seit 1922: Deutscher Reichskriegerbund »Kyffhäuser« – war 1896, mit der Einweihung des Kyffhäuser-Denkmals als gesamtdeutscher Dachverband fast aller Kriegervereine gegründet worden. In diesen Vereinen waren ehemalige Soldaten organisiert; 1925 handelte es sich um 27.708 Vereine mit insgesamt 2.239.000 Mitgliedern. Als seine Aufgaben definierte der Verband neben der Pflege der Kameradschaft, sozialer Aufgaben und der Grabpflege die »Stärkung des Deutschbewußtseins« und die »Pflege der großen Überlieferungen der deutschen Geschichte«. Obwohl der Verband sich als unpolitisch verstand, positionierte er sich durch die Ehrenpräsidentschaft von Paul von Hindenburg sowie durch Aufrufe, wie etwa dem vom 11. 5. 1924, wonach der Verband Sammelbecken »für alle nationalen und soldatischen Kräfte« sei, faktisch im nationalkonservativen Lager. Dennoch galt der Kyffhäuserbund, in dessen Leitung pensionierte Offiziere dominierten, konkurrierenden Organisationen wie etwa dem Stahlhelm als »pflaumenweich«. 1933/34 wurde der Kyffhäuserbund gleichgeschaltet und seine Selbstverwaltung aufgehoben. Am 4. 3. 1938 wurde der Bund in Nationalsozialistischer Reichskriegerbund umbenannt, am 22. 4. 1943 wurden seine Leitungsorgane schließlich ganz aufgelöst.

Vgl. Elliott, Kriegervereine; Fricke/ Bramke, Kyffhäuser-Bund, Zitate, S. 339 f.; Müller, Kyffhäuser-Bund; Führer, Reichskriegerbund.

129 Der Abbau der Freikorps und sonstiger Wehrverbände war nicht nur mit Blick auf das Prinzip des staatlichen Gewaltmonopols zwingend; es entsprach auch den Bestimmungen des Versailler Vertrags. Dass diese spezielle Form der Abrüstung dennoch nur langsam und stockend vor sich ging, verdeutlicht, wie mächtig die paramilitärischen Verbände waren. Um einen einheitlichen Oberbefehl zu schaffen, wurde am 6. 3. 1919 das Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr verabschiedet, mit dem Ziel, »das bestehende Heer aufzulösen und eine vorläufige Reichswehr zu bilden«; diese sollte zunächst eine Größe von 420.000 Mann haben und den verschiedenen Freiwilligenformationen als Sammelbecken dienen. Alle übrigen Formationen sollten – so ein Erlass des Reichswehrministers Gustav Noske vom 27. 5. 1919 – nicht mehr von den Militärbehörden zum Dienst herangezogen werden. Allerdings war dies nur eine Interimslösung. Bis zum 1. 1. 1921 musste die Reichswehr – gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags – auf ein Heer von 100.000 Mann reduziert werden. Dagegen rührte sich bei den Betroffenen Widerstand, der schließlich am 13. 3. 1920 im Kapp-Putsch kulminierte, der aber nach wenigen Tagen zusammenbrach.

Diese Insubordination sowie der blutige Einsatz von Reichswehr und Freikorps gegen den sich anschließenden Ruhraufstand signalisierten, dass die Zeit der Freikorps vorbei war. Nachdem der neue Chef der Heeresleitung, Generalmajor Hans von Seeckt, die Armee bis zum 15. 5. 1920 auf 200.000 Mann verkleinert hatte, versuchte die deutsche Delegation auf der Konferenz von Spa (5. – 16. 7. 1920) noch einmal vergeblich einen Kompromiss für die militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrags auszuhandeln. Vom Reichsheer blieben daraufhin bis zum 1. 1. 1921 noch 100.000 Mann, während die Freikorps sich entweder auflösten, reduziert in der Illegalität weiter bestanden – etwa als Organisation Consul – oder sich in andere Organisationen verwandelten, deren militärischer Charakter nicht mehr so offensichtlich war (wie etwa die Technische Nothilfe). Wie groß die Kohäsion der Freikorps aber immer noch war, zeigte sich während des dritten polnischen Aufstands in Oberschlesien im Mai 1921: »Alle relevanten Freikorps, von denen es hieß, sie seien längst aufgelöst, waren plötzlich wieder zur Stelle.«

Vgl. Wohlfeil/ Dollinger, Reichswehr, S. 57 – 61, 138 – 144; Koch, Bürgerkrieg, S. 219 – 243, 302 – 305; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 386 f.; Sauer, Oberschlesien, Zitat S. 311.

130 Die damalige juristische Ahndung entsprach nicht annähernd der Dimension und Brutalität der rechtsradikalen Gewalt, die sich in der unruhigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg Bahn brach. Schon 1922 hat der pazifistische Mathematiker Emil Julius Gumbel diese Gewalt sehr genau dokumentiert und damit die Rechtslastigkeit der deutschen Justiz statistisch eindrucksvoll belegt. Für die Zeit vom 11. 1. 1919 bis zum 24. 6. 1922 konnte Gumbel insgesamt 354 Morde nachweisen, für die rechtsradikale Täter oder Organisationen die Verantwortung trugen. Die Gesamtsühne für diese Morde betrug nicht mehr als 90 Jahre Haft, zwei Monate Einsperrung, 730 Mark Geldstrafe sowie eine Verurteilung zu lebenslanger Haft. 326 Morde blieben ungesühnt, 27 wurden teilweise und nur einer wirklich gesühnt. Um ein Vielfaches härter war die Ahndung der Morde, die linksradikale Täter oder Organisationen begingen, obwohl ihre Zahl weit hinter jener der rechtsradikalen Täter zurückblieb. Gumbel nennt insgesamt 22 Morde aus linksradikalen Motiven. Dennoch war die Gesamtsühne mit insgesamt zehn Erschießungen, 248 Jahren Haft, neun Monaten Einsperrung sowie drei lebenslangen Haftstrafen deutlich härter. Von den linksradikalen Morden blieben lediglich vier un- und einer nur teilweise gesühnt.

Vgl. Gumbel, Jahre, S. 73 – 81; Hannover/ Hannover-Drück, Justiz, S. 22 – 175; Rasenhorn, Rechtspolitik; Angermund, Richterschaft, bes.S. 19 – 44; Gusy, Weimar, S. 354 – 363; Brenner, Gumbel, bes.S. 67 – 89; Anm. 138 in diesem Kapitel.

Idee bedeutet zu allen Zeiten eine Beschränkung der Kampfkraft. Die Überzeugung vom Recht der Anwendung selbst brutalster Waffen ist stets gebunden an das Vorhandensein eines fanatischen Glaubens an die Notwendigkeit des Sieges einer umwälzenden neuen Ordnung auf#1933: gestrichen: auf dieser Erde.

Eine Bewegung, die nicht für solche höchste#1939: höchste ersetzt durch: höchsten;
1944: höchste Ziele und Ideale ficht, wird daher nie zur letzten Waffe greifen.123

Das Aufzeigen einer neuen großen Idee ist das Geheimnis des Erfolges der Französischen#1939: Französischen ersetzt durch: französischen;
1944: Französischen Revolution gewesen; der Idee verdankt die russische den Sieg, und der Faszismus#1937: Faszismus ersetzt durch: Faschismus hat nur durch die Idee die Kraft erhalten, ein Volk in segensreichster Weise einer umfassendsten Neugestaltung zu unterwerfen.124

Bürgerliche Parteien sind hierzu nicht befähigt.125

Allein nicht nur die bürgerlichen Parteien sahen ihr politisches Ziel in einer Restauration der Vergangenheit126, sondern auch die Wehrverbände, soweit sie sich überhaupt mit politischen Zielen befaßten. Alte Kriegervereins- und Kyffhäusertendenzen127 wurden in ihnen lebendig und halfen mit, die schärfste Waffe, die das nationale Deutschland damals hatte, politisch abzustumpfen und im Landsknechtsdienst der Republik verkommen zu lassen.128 Daß sie dabei selbst in bester Gesinnung, vor allem aber im besten Glauben handelten, ändert nicht das geringste am unseligen Wahnwitz dieser damaligen Vorgänge.

Allmählich erhielt der Marxismus in der sich konsolidierenden Reichswehr die erforderliche Machtstütze seiner Autorität und begann daraufhin konsequent und logisch die gefährlich erscheinenden nationalen Wehrverbände, als nunmehr überflüssig, abzubauen.129 Einzelne, besonders verwegene Führer, denen man mit Mißtrauen gegenüberstand, wurden vor die Schranken der Gerichte zitiert#1944: zitiert ersetzt durch: gestellt und hinter schwedische Gardinen gesteckt.130 An allen aber hat sich das Los erfüllt, das sie selbst verschuldet hatten.

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