Band II, Kapitel 9
worden.6 Ja, es gab nicht einmal mehr eine Autorität der Tradition. Mit dem Zusammenbruch des alten Reiches7, der Beseitigung der alten Staatsform, der Vernichtung der ehemaligen Hoheitszeichen und Reichssymbole8 ist die Tradition jäh abgerissen worden. Die Folge davon war die schwerste Erschütterung der Staatsautorität.
Selbst die zweite Säule der Staatsautorität, die Gewalt, war nicht mehr vorhanden. Um überhaupt die Revolution durchführen zu können, war man gezwungen gewesen, die Verkörperung der organisierten Kraft und Gewalt des Staates, nämlich das Heer, zu zersetzen9; ja, man mußte die zerfressenen Teile der Armee selbst als revolutionäre Kampfelemente verwenden. Wenn auch die Frontarmeen dieser Zersetzung in nicht einheitlichem Maße anheimgefallen waren10, so wurden sie doch, je mehr sie die ruhmvollen Stätten ihres viereinhalbjährigen heldenhaften Ringens hinter sich ließen, von der Säure der Desorganisation der Heimat angefressen und endeten, in den Demobilmachungsgarnisonen#1930: Demobilmachungsgarnisonen ersetzt durch: Demobilmachungsorganisationen 11 angekommen, ebenfalls im Durcheinander des sogenannten freiwilligen Gehorsams der Soldatenratsepoche.12
Auf diese meuternden, den Heeresdienst im Sinne einer achtstündigen Arbeitszeit13 auffassenden Soldatenhaufen konnte man allerdings keine Autorität mehr stützen. Damit war das zweite Element, dasjenige, das die Festigkeit der Autorität erst verbürgt, auch beseitigt, und die Revolution besaß eigentlich nur mehr das ursprünglichste, die Popularität, um ihre Autorität darauf aufzubauen. Gerade diese Grundlage war aber eine außerordentlich unsichere. Wohl gelang der Revolution mit einem einzigen gewaltigen Anhieb [sic!] die Zerschmetterung des alten Staatsgebäudes, allein im tiefsten Grunde doch nur, weil das normale Gleichgewicht innerhalb der Struktur unseres Volkes durch den Krieg schon beseitigt worden war.14
Jeder Volkskörper15 kann in drei große Klassen gegliedert werden: in ein Extrem des besten Menschentums auf der einen Seite, gut im Sinne aller Tugenden, besonders ausgezeichnet durch Mut und Opferfreudigkeit, andererseits ein Extrem des schlechtesten Menschenauswurfes#1930: Menschenauswurfes ersetzt durch: Menschenauswurfs, schlecht im Sinne des Vorhandenseins aller egoistischen