Band II, Kapitel 8
suchtsvoll die Lösung einer bestimmten Frage herbeiwünschen [sic!], weil sie unter der Unerträglichkeit eines bestehenden Zustandes seufzen, ohne daß die Erfüllung dieses allgemeinen Sehnens in Erscheinung träte. Völker, die aus einer solchen Not überhaupt keine heroische Lösung mehr finden, kann man als impotent bezeichnen5, während wir die Lebenskraft eines Volkes und die durch sie noch verbürgte Bestimmung zum Leben am schlagendsten dann bewiesen sehen, wenn ihm für die Befreiung aus einem großen Zwang#1944: Zwang ersetzt durch: Zwange, oder zur Beseitigung einer bitteren Not, oder zur Befriedung#1933: Befriedung ersetzt durch: Befriedigung seiner ruhelos, weil unsicher gewordenen Seele, vom Schicksal eines Tages der dafür begnadete Mann geschenkt wird, der endlich die lange ersehnte#1929: lange ersehnte ersetzt durch: langersehnte;
1930: lang ersehnte Erfüllung bringt.6
Es liegt nun ganz im Wesen sogenannter großer Zeitfragen, daß sich an ihrer Lösung Tausende betätigen, daß viele sich berufen glauben, ja daß das Schicksal selbst verschiedene zur Wahl vorschlägt, um nun im freien Spiel der Kräfte dem Stärkeren, Tüchtigeren endgültig den Sieg zu geben und ihm die Lösung des Problems anzuvertrauen.7
So mag es sein, daß Jahrhunderte, unzufrieden mit der Gestaltung ihres religiösen Lebens, sich nach einer Erneuerung sehnen [sic!], und daß aus diesem seelischen Drange heraus Dutzende und mehr Männer erstehen, die sich auf Grund ihrer Einsicht und ihres Wissens zur Lösung dieser religiösen Not berufen glauben, um als Propheten einer neuen Lehre oder wenigstens als Kämpfer gegen eine bestehende in Erscheinung zu treten.8
Sicher wird auch hier, kraft natürlicher Ordnung, der Stärkste dazu bestimmt sein, die große Mission zu erfüllen; allein die Erkenntnis, daß eben dieser eine der ausschließlich Berufene sei, pflegt den anderen meistens erst sehr spät zu kommen. Sie sehen sich im Gegenteil alle als gleich berechtigt und berufen zur Lösung der Aufgabe an, und die Mitwelt vermag gewöhnlich am allerwenigsten zu unterscheiden, wer von ihnen, weil allein zum Höchsten befähigt, einzig ihre Unterstützung verdient.
So treten im Laufe von Jahrhunderten, ja oft innerhalb eines gleichen Zeitabschnittes verschiedene Männer auf, gründen Bewegungen, um Ziele zu verfechten, die, wenigstens behauptungsweise,