Die Los-von-Rom-Bewegung <span class="pagenumber">[118]</span>

231 Vermutlich eine Anspielung auf die gescheiterten Bemühungen der SPD und der deutschen Gewerkschaften, 1923 zusammen mit französischen und belgischen Genossen einen internationalen Proteststreik gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen zu organisieren. Zwar hatte der Internationale Gewerkschaftsbund noch im Dezember 1922 einen internationalen Generalstreik für diesen Fall angedroht, doch ging nach dem 11. 1. 1923 die Hilfe der Brudergewerkschaften des ADGB über verbale Solidaritätsbekundungen nicht hinaus. Allerdings protestierten die parlamentarischen Vertreter der französischen und belgischen Sozialisten vehement gegen die Politik ihrer Regierungen.

Vgl. Winkler, Revolution, S. 555 f.; Weber, Sozialpartnerschaft, S. 568; Kap. II/15, Anm. 47.

233 Verdikte gegen eine vermeintliche Überbetonung der Objektivität im »bürgerlichen« Denken durchziehen den gesamten Text von Mein Kampf. Mit solch dumpfen Ressentiments wollte Hitler bei den Anhängern »seiner« Bewegung jedes vertiefte »Nachdenken über die eigenen Ziele« diskreditieren; Objektivität würde nur »zu einer Infragestellung des einmal eingenommenen Standpunktes führen«. Ideengeschichtlich verweist diese Anfeindung der »Objektivität« auf die Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende. Zu nennen ist hier vor allem die einflussreiche, kulturkritische Schrift Rembrandt als Erzieher (1890), in der Julius Langbehn die angeblich »falsche Objektivität« der Wissenschaften seiner Zeit attackierte: »Endziel der echten Wissenschaft« sei es nicht »Thatsachen zu konstatieren«, sondern »Werthurtheile abzugeben«. Auf die »mittelalterliche oder Ritterzeit« sei die »neuere oder Professorenzeit gefolgt«, nun aber breche »die neueste oder Menschenzeit« an. Der »heutige Deutsche« habe sich »demnach zwischen ›Mensch‹ und ›Professor‹ zu entscheiden«. Beeinflusst von der Lebensreformbewegung verkündete auch der Philosoph Georg Simmel im November 1914: »Ich liebe Deutschland und will deshalb, dass es lebe – zum Teufel mit aller ›objektiven‹ Rechtfertigung dieses Wollens aus der Kultur, der Ethik, der Geschichte oder Gott weiß was heraus.« Die Verachtung der »Objektivität« prägte nach 1918 in starkem Maße das Weltbild der völkischen Bewegung. So war etwa in der von Hitler geschätzten Hetzschrift Judas Schuldbuch (1919) davon die Rede, »[d]em Deutschen« hafte die »zur Krankhaftigkeit gesteigerte Fähigkeit, ›objektiv‹ zu sein«, an. Auch der völkische Heimatdichter Franz Schrönghamer-Heimdal bemerkte im Vorwort seines Traktats Judas, der Weltfeind (1919) mit Befriedigung, dass »die Judenfrage jetzt auch von Leuten erörtert« werde, »die es vor kurzem noch unter ihrer Würde gehalten hätten«, sich mit ihr zu befassen; offenbar ginge »[m]anchem Michel, dem bislang die Schlafmütze der ›Objektivität‹ über die Ohren hing, […] jetzt die Augen auf«.

Vgl. Langbehn, Rembrandt, Zitate S. 69 f.; Simmel, Krieg, Zitat S. 21; Meister, Schuldbuch (^3/41919), Zitat S. 29; Schrönghamer-Heimdal, Judas, Zitate S. 4 f.; Gorsleben, Überwindung, S. 23; Zehnpfennig, Kampf (2000), Zitat S. 7; Kap. I/4, Anm. 15.

235 Die Militärseelsorge unterstand traditionell nicht der Kirche, sondern dem Militär; in der preußischen Armee existierte hierfür das Amt eines evangelischen sowie seit 1850 auch das eines katholischen Feldprobsts. Die ihnen unterstellten Feldgeistlichen waren Offizieren bzw. Militärbeamten in Rang und Gehalt gleichgestellt. Zu ihren Aufgaben gehörten Feldgottesdienste, Seelsorge und Beichten, Beistand für Verwundete, Sterbende, Gefangene und Delinquenten, Beerdigungen und der Kontakt zu Angehörigen; hierbei arbeiteten die Feldgeistlichen gewöhnlich über die konfessionellen Grenzen hinweg zusammen. Meist waren sie ausgesprochen patriotisch und legitimierten den Krieg als »gerechte Sache«, die »im Namen Gottes« zu führen sei. Im Ersten Weltkrieg verdreißigfachte sich die Zahl der Feldgeistlichen; am Ende des Kriegs waren 1.400 preußische, 279 bayerische, 74 sächsische und 42 württembergische Militärpfarrer im Einsatz. Unerwähnt bleiben bei Hitler freilich die 30 Feldrabbiner sowie 15 Feldhilfsrabbiner, die zwischen 1914 und 1918 in den deutschen Streitkräften dienten. Ihre Existenz passte nicht zu der verleumderischen Behauptung von einer jüdischen »Drückebergerei«, ohne die kaum eine völkische Publikation nach 1918 auskam. Nachdem im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bereits vier Rabbiner freiwillig als jüdische Militärseelsorger im Einsatz gewesen waren, wurde die jüdische Militärgeistlichkeit institutionalisiert. Die Kriegsministerien von Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg erlaubten auf Antrag jüdischer Interessenverbände die Tätigkeit der Feldrabbiner, wobei je ein Rabbiner bei einer Armee zum Einsatz kam. Noch im August 1914 meldeten sich 81 Rabbiner, von denen 30 ausgewählt wurden, darunter der spätere Vorsitzende der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Leo Baeck, der 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde. Die jüdische Organisation B’nai B’rith spendete im Ersten Weltkrieg 150.000 Mark zur Finanzierung eines Lazarettzugs, der überkonfessionell eingesetzt wurde.

Vgl. Matuschka, Organisationsgeschichte, S. 196; Vogt, Religion; Hank/ Simon/ Hank, Feldrabbiner, S. 7 – 15. Zum Topos von der jüdischen »Drückebergerei« im Ersten Weltkrieg vgl. Kap. I/7, Anm. 38.

In diesem Brennpunkt der verschiedensten Nationalitäten zeigte sich sofort am klarsten, daß eben nur der deutsche Pazifist die Belange der eigenen Nation immer objektiv zu betrachten versucht, aber niemals der Jude etwa die des jüdischen Volkes; daß nur der deutsche Sozialist »international« in einem Sinne ist, der ihm dann verbietet, seinem eigenen Volke Gerechtigkeit anders als durch Winseln und Flennen bei den internationalen Genossen zu erbetteln, niemals aber auch der Tscheche oder Pole usw.231; kurz, ich erkannte schon damals, daß das Unglück nur zum Teil in diesen Lehren an sich liegt, als# 1930: gestrichen: als zum anderen Teil aber in unserer gänzlich ungenügenden Erziehung zum eigenen Volkstum überhaupt und in einer dadurch bedingten minderen Hingabe an dasselbe.232

Damit entfiel die erste rein theoretische Begründung des Kampfes der alldeutschen Bewegung gegen den Katholizismus an sich.

Man erziehe das deutsche Volk schon von Jugend an mit jener ausschließlichen Anerkennung der Rechte des eigenen Volkstums# 1939: Volkstums ersetzt durch: Volkes;
1944: Volkstums und verpeste nicht schon die Kinderherzen mit dem Fluche unserer »Objektivität«233 auch in Dingen der Erhaltung des eigenen Ichs, so wird es sich in kurzer Zeit zeigen, daß (eine dann aber auch radikale nationale Regierung vorausgesetzt) ebenso wie in Irland, Polen oder Frankreich, auch in Deutschland der Katholik immer Deutscher sein wird.

Den gewaltigsten Beweis hierfür aber hat# 1933: aber hat ersetzt durch: hat aber;
1944: aber hat jene Zeit geliefert, die zum letzten Male unser Volk zum Schutze seines Daseins vor den# 1933: den ersetzt durch: dem Richterstuhl der Geschichte antreten ließ zu seinem Kampfe auf Leben und Tod.234

Solange nicht die Führung damals von oben fehlte, hat das Volk seine Pflicht und Schuldigkeit in überwältigendster Weise erfüllt. Ob protestantischer Pastor oder katholischer Pfarrer, sie hatten# 1930: hatten ersetzt durch: trugen beide gemeinsam ein unendlich gutes Teil am# 1930: ein unendlich gutes Teil am ersetzt durch: unendlich bei zum so langen Erhalten unserer Widerstandskraft nicht nur an der Front235, sondern noch mehr zu Hause.In diesen Jahren,# 1930: eingefügt: und besonders im ersten Aufflammen, da# 1930: gestrichen: da gab es wirklich in beiden Lagern nur ein einziges heiliges deutsches# 1944: deutsches ersetzt durch: Deutsches Reich, für dessen Bestehen und Zukunft sich jeder eben an seinen Himmel wandte.236