Nationalsozialistische Gewerkschaften? <span class="pagenumber">[253]</span>

21 Hitler wiederholt hier eine gängige antisemitische These: Es sei das Ziel des Marxismus, durch Unruhen und politische Streiks die nationale Wirtschaft des »schaffenden Kapitals« zu zerstören oder so weit zu schwächen, dass es vom »raffenden Kapital« des »internationalen Judentums« übernommen und für die Aufrichtung seiner Weltherrschaft verwendet werden könne. Diese abstruse Theorie hatte schon Theodor Fritsch in seinem Handbuch der Judenfrage verbreitet: »Den Juden das erwucherte Geld weg zu nehmen, ist aussichtslos, solange das verblendete Proletariat dem General-Wucherer den Rücken deckt. Bleibt nur die Aufgabe, die Arbeiter über das hinterhältige jüdische Doppelspiel aufzuklären.« Als Beleg diente den Antisemiten der Hinweis darauf, dass in den Räterepubliken in Bayern, Ungarn und vor allem in Russland zwar die Fabriken, nicht aber die Banken sozialisiert worden seien, damit das »Finanzjudentum« seine Geschäfte habe weiterverfolgen können. In Wirklichkeit wurden die russischen Banken jedoch bereits per Dekret vom 14. 12. 1917 sozialisiert. Ende 1919 war dies bei allen russischen Banken, den einheimischen wie ausländischen, abgeschlossen. Obwohl zahlreiche Publikationen darüber berichteten, wurde dies von den Völkischen ebenso ignoriert wie das konfliktreiche Verhältnis zwischen den Freien Gewerkschaften und der KPD in Deutschland. Innerhalb des völkischen Lagers war das Thema Sozialisierung der Banken in Deutschland durchaus umstritten. Sprach sich der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund zunächst dafür aus, so wandte sich der ADV scharf dagegen. Besonders vehement vertraten die Deutschsozialisten diese Forderung.

Vgl. VB vom 15. 2. 1919, »Die Sozialisierung im Lichte des Judentums«; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 248; Fritsch (Hrsg.), Handbuch (1919), Zitat S. 635; Meister, Schuldbuch (^3/41919), S. 99 f.; Feder, Manifest, S. 61; VB vom 31. 3. 1920, »Die genasführten Völker«; Deutscher Sozialist vom 5. 3. 1921, »Warum müssen die Banken verstaatlicht werden?«; Eisner, Verhältnis; Raupach, Wirtschaft, S. 26; Potthoff, Gewerkschaften (1987), S. 209 – 216; Messengießer, System, S. 22 – 26; Breuer, Völkischen, S. 156; Plöckinger, Soldaten, S. 266 – 269; Kap. I/8, Anm. 19. Zum Mythos der jüdischen Weltverschwörung vgl. Kap. I/2, Anm. 219.

staatspolitischer Hinsicht aber vollständig rechtlos sind.20

Die Gewerkschaft im nationalsozialistischen Sinne hat nicht die Aufgabe, durch Zusammenfassung bestimmter Menschen innerhalb eines Volkskörpers diese allmählich in eine Klasse umzuwandeln, um mit ihr dann den Kampf gegen andere, ähnlich organisierte Gebilde innerhalb der Volksgemeinschaft aufzunehmen. Diese Aufgabe können wir der Gewerkschaft an sich überhaupt nicht zuschreiben, sondern sie wurde ihr erst verliehen in dem Augenblick, in dem sie zum Kampfinstrument des Marxismus wurde. Nicht die Gewerkschaft ist »klassenkämpferisch«, sondern der Marxismus hat aus ihr ein Instrument für seinen Klassenkampf gemacht. Er schuf die wirtschaftliche Waffe, die der internationale Weltjude anwendet zur Zertrümmerung der wirtschaftlichen Basis der freien, unabhängigen Nationalstaaten, zur Vernichtung ihrer nationalen Industrie und ihres nationalen Handels und damit endlich#1930: gestrichen: endlich zur Versklavung freier Völker im Dienste des überstaatlichen Weltfinanz-Judentums#1937: Weltfinanz-Judentums ersetzt durch: Weltfinanzjudentums;
1939: Weltfinanz-Judentums.21

Die nationalsozialistische Gewerkschaft hat demgegenüber durch die organisatorische Zusammenfassung bestimmter Gruppen von Teilnehmern am nationalen Wirtschaftsprozeß die Sicherheit der nationalen Wirtschaft selbst zu erhöhen und deren Kraft zu stärken durch korrigierende Beseitigung all jener Mißstände, die in ihren letzten Folgeerscheinungen auf den nationalen Volkskörper destruktiv einwirken, die lebendige Kraft der Volksgemeinschaft, damit aber auch die des Staates schädigen und nicht zuletzt der Wirtschaft selbst zum Unheil und Verderben geraten#1944: geraten ersetzt durch: gereichen.

Für die nationalsozialistische Gewerkschaft ist damit der Streik nicht ein Mittel zur#1944: zur ersetzt durch: der Zertrümmerung und Erschütterung der nationalen Produktion, sondern zu ihrer Steigerung und Flüssigmachung [sic!] durch die Bekämpfung all jener Mißstände, die infolge ihres unsozialen Charakters die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und damit