Band II, Kapitel 10
lassenen, oder besser, zugesprochenen, höchst umfangreichen Selbstrechte entsprechen nicht nur dem ganzen Wesen dieses Staatenbundes, sondern vor allem auch der Größe seiner Grundfläche, seinen räumlichen Dimensionen, die ja fast dem Ausmaß eines Kontinents gleichkommen. Man kann somit bei den Staaten der amerikanischen Union nicht von deren staatlicher Souveränität sprechen, sondern nur von deren verfassungsmäßig festgelegten und garantierten Rechten, besser vielleicht Befugnissen.94
Auch für Deutschland ist die obige Formulierung nicht voll und ganz zutreffend. Obwohl in Deutschland ohne Zweifel zuerst die Einzelstaaten, und zwar als Staaten bestanden hatten und aus ihnen das Reich gebildet wurde. Allein schon die Bildung des Reiches ist nicht erfolgt auf Grund des freien Willens oder gleichen Zutuns der Einzelstaaten, sondern durch die Auswirkung der Hegemonie eines Staates unter ihnen, Preußens.95 Schon die rein territorial große Verschiedenheit der deutschen Staaten96 gestattet keinen Vergleich mit der Gestaltung zum Beispiel der amerikanischen Union.97 Der Größenunterschied zwischen den einstigen kleinsten deutschen Bundesstaaten und den größeren oder gar dem größten erweist die Nichtgleichartigkeit der Leistungen, aber auch das Ungleichmäßige des Anteils an der Begründung des Reiches, an der Formung des Bundesstaates. Tatsächlich konnte man aber auch bei den meisten dieser Staaten von einer wirklichen Souveränität nicht sprechen98, außer das Wort Staatssouveränität hätte#1939: hätte ersetzt durch: hatte;
1944: hätte keine andere Bedeutung als die einer amtlichen Phrase. In Wirklichkeit hatte nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart mit zahlreichen dieser sogenannten »souveränen Staaten« aufgeräumt und damit am klarsten die Schwäche dieser »souveränen« Gebilde bewiesen.99
Es soll hier nicht festgestellt werden, wie im einzelnen diese Staaten sich geschichtlich bildeten, wohl aber, daß sie fast in keinem Falle sich mit stammesmäßigen Grenzen decken. Sie sind rein politische Erscheinungen und reichen mit ihren Wurzeln meist in die traurigste Zeit der Ohnmacht des Deutschen Reiches und der sie bedingenden wie auch umgekehrt dadurch selbst wieder bedingten Zersplitterung unseres deutschen Vaterlandes.100