Der Marxismus verneint den Persönlichkeitswert <span class="pagenumber">[86]</span>

24 Es war ein gängiger Vorwurf antisemitischer Autoren, Juden würden die Demokratie fördern und befürworten, um den Einfluss der »Arier« zurückzudrängen und auf dem Rücken des »betörten Proletariats« die eigene »Weltherrschaft« zu errichten, so etwa Theodor Fritsch in seinem Handbuch der Judenfrage. Das Motiv jüdischer Intellektueller, unter demokratischen Strukturen am ehesten eine gleichberechtigte politische und gesellschaftliche Stellung erreichen zu können, wurde dabei nicht zur Kenntnis genommen. Gleichermaßen ignoriert wurde der Sachverhalt, dass die vielfältige Publizistik jüdischer Autoren vor und nach dem Ersten Weltkrieg auch antidemokratische Stimmen umfasste – auch wenn diese klar in der Minderheit blieben. 1921 schrieb etwa der Danziger Nervenarzt Semi Meyer, Mitglied des von Max Naumann gegründeten Verbands nationaldeutscher Juden: »[D]ie Zeit ist vorüber, wo man in den Volksvertretungen die endgültige ideale Lösung des Staatsproblems zu besitzen glaubte […]. Es ist im Grunde ja auch ein bescheidener Sieg der Gleichheit, wenn die Staatsmacht einfach in so viele Teile geteilt wird, als Bürger vorhanden sind und nun jeder vor die Aufgabe gestellt wird, für sein Stückchen Staatsmacht einen Beauftragten zu suchen. Was dabei herausgekommen ist, das jammervolle Parteiwesen, ist wahrlich kein erhebendes Bild.«

Vgl. Fritsch (Hrsg.), Handbuch, Zitat S. 634; Meyer, Freiheit, Zitat S. 72; Hambrock, Etablierung, S. 51 – 74, 333 – 346, 402 – 405, 418 f. Zum Mythos des jüdischen Weltherrschaftsstrebens vgl. Kap. I/2, Anm. 219.

25 Ein von antisemitischen Autoren häufig aufgegriffenes Zitat aus Theodor Mommsens Hauptwerk Römische Geschichte (1854 – 1885). »Auch in der alten Welt«, so Mommsen, sei »das Judentum ein wirksames Ferment des Kosmopolitismus und der nationalen Dekomposition« gewesen und daher »ein vorzugsweise berechtigtes Mitglied in dem Caesarischen Staate, dessen Politie doch eigentlich nichts als Weltbürgertum, dessen Volkstümlichkeit im Grunde nichts als Humanität« gewesen sei. Allerdings wäre es völlig verfehlt, Mommsen aufgrund dieser Aussage zu einem Wegbereiter des völkischen Antisemitismus zu erklären. Er war vielmehr ein scharfer Kritiker des zeitgenössischen Antisemitismus, von dem im Kaiserreich nicht zuletzt das Bildungsbürgertum erfasst wurde. In seiner Schrift Auch ein Wort über unser Judenthum (1880), einer direkten Replik auf seinen Historikerkollegen Heinrich von Treitschke, hielt Mommsen zwar das Diktum der »nationalen Dekomposition« aufrecht, bezeichnete den »Feldzug der Antisemiten« jedoch als eine »Mißgeburt des nationalen Gefühls«. Mommsen forderte seine Leser dazu auf, die antisemitische »Hetze des Tages« zu »ächten«. »Selbstverständlich« sei die deutsche Nation »durch Recht und Ehre verpflichtet«, die Juden »in ihrer Rechtsgleichheit zu schützen, sowohl vor offenem Rechtsbruch wie vor administrativer Prellerei«, eine Pflicht, die »keineswegs […] von dem Wohlverhalten der Juden« abhängig sei. 1890 gehörte Mommsen zum Gründerkreis des 1933 verbotenen Vereins zur Abwehr des Antisemitismus.

Vgl. Mommsen, Geschichte, Bd. V/2, Zitat S. 216; Mommsen, Wort, Zitate S. 4, 9, 12, 15; Hoffmann, Juden, S. 92 – 106; Malitz, Mommsen; Hoffmann, Verteidigung.

27 Anspielung auf das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920, ein Kernstück des Weimarer Sozialsystems, das die Wahl von Betriebsräten in allen Unternehmen ab einer Größe von 20 Arbeitnehmern festschrieb. Die Betriebsräte sollten auf soziale und personelle Fragen Einfluss haben, während in wirtschaftlichen Angelegenheiten lediglich eine beratende Funktion vorgesehen war. Die ursprünglichen Ziele des Gesetzes – die innerbetriebliche Demokratisierung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – wurden in der Praxis jedoch durch das fehlende gegenseitige Vertrauen und die geringe Kompromissbereitschaft beider Seiten konterkariert. Erschwerend hinzu kam die massive Kritik, die sowohl von kommunistischer als auch von rechtskonservativer Seite gegen das Gesetz laut wurde. Während die radikale Linke viel weitreichendere Arbeitnehmerrechte forderte, argumentierten Vertreter der Rechten wie Friedrich Stolle, das Betriebsrätegesetz sei nicht geeignet, »die Zufriedenheit, die Arbeitsfreudigkeit, das Betriebsinteresse des Arbeiters zu vermehren«. Es sei vielmehr allein »dazu angetan […], die Unzufriedenheit im Betriebe, den Kampf, den Unfrieden planmäßig zu züchten«. Im NS-Staat wurde das Prinzip der betrieblichen Mitbestimmung schon bald abgeschafft: Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. 1. 1934 schrieb fest, dass »in allen betrieblichen Angelegenheiten« allein der jeweilige »Führer des Betriebes« entscheiden solle.

Vgl. RGBl. 1920/I, S. 147 – 174; Stolle, Zweck, Zitat S. 39 f.; RGBl. 1934/I, S. 45 – 56, Zitat S. 45; Plumpe, Betriebsratspolitik; Becker, Arbeitsvertrag, S. 113 – 126, 349 – 365, 387 – 401; Milert/ Tschirbs, Demokratie, bes.S. 126 – 195, 257 – 272; Kap. I/12, Anm. 59.

höhlen und die der Masse an ihre Stelle zu setzen. Damit aber tritt an Stelle des organisatorischen Prinzips der arischen Menschheit das destruktive des Juden.24 Er wird dadurch »zum Ferment der Dekomposition«25 von Völkern und Rassen und im weiteren Sinne zum Auflöser der menschlichen Kultur.

Der Marxismus aber stellt sich als den#1937: den ersetzt durch: der;
1939: den;
1944: der in Reinkultur gebrachten#1937: gebrachten ersetzt durch: gebrachte;
1939: gebrachten;
1944: gebrachte Versuch des Juden dar, auf allen Gebieten des menschlichen Lebens die überragende Bedeutung der Persönlichkeit auszuschalten und durch die Zahl der Masse zu ersetzen. Dem entspricht politisch die parlamentarische Regierungsform, die wir, von den kleinsten Keimzellen der Gemeinde angefangen bis zur obersten Leitung des gesamten Reiches, so unheilvoll wirken sehen, und wirtschaftlich das System einer Gewerkschaftsbewegung, die nicht den wirklichen Interessen des Arbeitnehmers dient, sondern ausschließlich den zerstörenden Absichten des internationalen Weltjuden.26 In eben dem Maße, in welchem die Wirtschaft der Wirkung des Persönlichkeitsprinzips entzogen und an Stelle dessen nur den Einflüssen und Einwirkungen der Masse ausgeliefert wird, muß sie die im Dienste aller stehende und für alle wertvolle Leistungsfähigkeit verlieren und allmählich einer sicheren Rückentwicklung verfallen. Sämtliche Betriebsratsorganisationen#1937: Betriebsratsorganisationen ersetzt durch: Betriebsorganisationen;
1939: Betriebsratsorganisationen
1944: ihrer ersetzt durch: der Arbeiter und, die, statt die Interessen ihrer# Angestellten wahrzunehmen, Einfluß auf die Produktion selbst zu gewinnen versuchen, dienen dem gleichen zerstörenden Zwecke. Sie schädigen die Gesamtleistung,#1929: eingefügt: dadurch
1929: dadurch mit ersetzt durch: auch;
1930: gestrichen: auch in Wirklichkeit aber dadurch mit# den einzelnen.27 Denn die Befriedigung der Angehörigen eines Volkskörpers erfolgt auf die Dauer nicht ausschließlich durch bloße theoretische Phrasen, als#1929: als ersetzt durch: sondern vielmehr durch die auf den einzelnen entfallenden Güter des täglichen Lebens, und weiter durch#1929: Lebens, und weiter durch ersetzt durch: Lebens und die daraus endgültig resultierende Überzeugung, daß eine Volksgemeinschaft in ihren gesamten Leistungen die Interessen der einzelnen wahrt.

Es spielt auch keine Rolle, ob der Marxismus auf Grund seiner Massentheorie etwa fähig erscheint, die zurzeit#1930: zurzeit ersetzt durch: zur Zeit;
1937: zurzeit;
1939: zur Zeit bestehende Wirtschaft zu übernehmen und weiterzuführen. Die Kritik über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses Prinzips wird nicht entschieden durch den Nachweis seiner Befähigung, das Bestehende für die Zukunft#1933: eingefügt: zu ver-