Marxismus und demokratisches Prinzip <span class="pagenumber">[5]</span>

17 Gemeint ist der internationale Zusammenschluss von Arbeiterorganisationen, abgeleitet von der Internationalen Arbeiterassoziation, die 1864 in London gegründet wurde. Sie umfasste sozialistische Gruppen aus 13 Ländern und stand zunächst unter dem maßgeblichen Einfluss von Karl Marx. Diese Erste Internationale zerfiel jedoch 1876 aufgrund innerer Richtungskämpfe und wurde 1889 von der Zweiten Internationale abgelöst. Diese zerbrach wiederum bei Beginn des Ersten Weltkriegs, als die einzelnen Arbeiterorganisationen der kriegführenden Länder mehrheitlich mit ihren jeweiligen Regierungen kooperierten, anstatt sich – wie theoretisch und ideologisch vorgesehen – in gemeinsamer Abstimmung den Kriegsanstrengungen zu widersetzen. Im März 1919 wurde dann auf Initiative Lenins in Moskau die dritte, sogenannte Kommunistische Internationale (Komintern) gegründet. Ihr erklärtes Ziel war es, in den übrigen »imperialistischen« Staaten revolutionäre Erhebungen nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution herbeizuführen. Innerhalb der völkischen Bewegung sorgte die Internationale trotz aller ideologischen Gegnerschaft angesichts ihrer Größe und (angeblichen) Geschlossenheit immer auch für Bewunderung – ein Reflex auf die Unfähigkeit der Völkischen, eine eigene bestands- und beschlussfähige Dachorganisation zu schaffen. In der öffentlichen völkischen Polemik wurde die Komintern hingegen nahtlos in den Mythos von der »jüdischen Weltverschwörung« integriert. So betonte etwa der Mitbegründer der DAP Anton Drexler in seiner Broschüre Mein Politisches Erwachen (1919), ohne die Idee der Internationale grundsätzlich zu verwerfen: »Warum konnte die Proletarier-Internationale nicht Wirklichkeit werden? Nur deshalb, weil sie überhaupt noch nie ehrlich gemeint war, weil das Proletariat nur das Mittel war, die ganze Welt mit jüdischem Gelde und der jüdischen Presse zu beherrschen.«

Vgl. Drexler, Erwachen, Zitat S. 37; Hildermeier, Geschichte (1998), S. 179 f.; Bayerlein, Babylon; Hedeler/ Vatlin (Hrsg.), Weltpartei, S. XI-XCVI; Sperber, Marx, S. 362 – 372; Černoperov, Kopp, S. 537; Kap. I/2, Anm. 219.

18 Die Revolution zeichnete sich in der von Hitler angegebenen Zeit, also im November 1918, gerade dadurch aus, dass sie sich weitgehend frei von physischer Gewalt entwickelte. Vor diesem Hintergrund notierte Thomas Mann am 10. 11. 1918 in sein Tagebuch: »Ich wiederhole mir u[nd] anderen, dass der Mangel an Widerstand gegen eine Revolution ihre Legitimität und Natürlichkeit erweist. Ich bin befriedigt von der relativen Ruhe u[nd] Ordnung, mit der vorderhand wenigstens alles sich abspielt. Die deutsche Revolution ist eben die deutsche, wenn auch Revolution. Keine französische Wildheit, keine russisch-kommunistische Trunkenheit.« Zwischen Dezember 1918 und Mai 1919 kam es jedoch zu heftigen Kämpfen, als die Aufstandsversuche von Spartakusbund und KPD in Berlin (»Weihnachtsunruhen«, »Januaraufstand«, »Märzkämpfe«) durch Regierungstruppen niedergeschlagen wurden. Berlin war damals nicht der einzige Schauplatz solcher Auseinandersetzungen zwischen linksradikalen und regierungstreuen Truppen. Besondere Bedeutung erlangte die »Reichsexekution« gegen die Münchner Räterepublik, die für die linksradikalen Insurgenten in einer vernichtenden Niederlage endete. Innerhalb der KPD bestand in der Folgezeit Uneinigkeit über die Legitimität bewaffneter Gewalt als politisches Kampfmittel. Als der Parteivorsitzende Paul Levi im Juni 1920 dem Gedanken eines gewaltsamen Putsches eine kategorische Absage erteilte, verließen zahlreiche Parteimitglieder die KPD.

Vgl. Scharrer, Spaltung, S. 239 – 242; Wirsching, Weltkrieg, S. 124 – 135; Schumann, Gewalt, S. 45 – 63; Franz, Diskussion, bes.S. 91 – 95; Leonhard, Büchse, bes.S. 887 f., 893 (Zitat); Kap. II/9, Anm. 158.

Gemüt eines solchen parlamentarischen Zauberpriesters bürgerlicher Demokratie dazu, um zu wähnen, daß jetzt oder in der Zukunft die brutale Entschlossenheit der Interessenten und Träger jener Weltpest16 einfach durch die Beschwörungsformeln eines westlichen Parlamentarismus gebannt werden könnte.

Der Marxismus wird so lange in#1929: in ersetzt durch: mit der Demokratie marschieren, bis es ihm gelingt, auf indirektem Wege für seine verbrecherischen Ziele sogar noch die Unterstützung der von ihm zur Ausrottung bestimmten nationalen geistigen Welt zu erhalten. Käme er aber heute zu der#1937: zu der ersetzt durch: zur;
1939: zu der;
1944: zur Überzeugung, daß sich aus dem Hexenkessel unserer parlamentarischen Demokratie plötzlich eine Majorität zusammenbrauen ließe, die – und wäre es nur auf Grund ihrer zur Gesetzgebung berechtigten Mehrzahl – dem Marxismus ernstlich auf den Leib rückte, so wäre das parlamentarische Gaukelspiel gleich zu Ende. Die Bannerträger der roten Internationale17 würden dann statt einen Appell an das demokratische Gewissen zu richten, einen brandigen Aufruf an die proletarischen Massen erlassen, und ihr Kampf würde sich mit einem Schlage aus der muffigen Luft der Sitzungssäle unserer Parlamente in die Fabriken und auf die Straße verpflanzen. Die Demokratie wäre damit sofort erledigt; und was der geistigen Gelenkigkeit jener Völkerapostel in den Parlamenten mißlungen war, würde dem Brecheisen und Schmiedehammer aufgehetzter Proletariermassen genau wie im Herbste#1944: Herbste ersetzt durch: Herbst 1918 blitzschnell gelingen18: Sie#1944: Sie ersetzt durch: sie würden der bürgerlichen Welt schlagend beibringen, wie verrückt es ist, sich einzubilden, mit dem Mittel westlicher Demokratie der jüdischen Welteroberung19 entgegentreten zu können.

Wie gesagt, es gehört schon ein gläubiges Gemüt dazu, sich einem solchen Spieler gegenüber an Regeln zu binden, die für diesen immer nur vorhanden sind#1929: gestrichen: vorhanden sind zum Bluff oder zum eigenen Nutzen, und#1929: Nutzen, und ersetzt durch: Nutzen vorhanden sind, die über Bord geschleudert werden, sobald sie seinen Vorteilen nicht mehr entsprechen.

Da bei allen Parteien sogenannter bürgerlicher Einstellung20 in Wirklichkeit der ganze politische Kampf tatsächlich nur im Raufen um einzelne Parlamentsstühle besteht, wobei Einstellungen und Grundsätze je nach Zweckmäßigkeit, wie Sandballast über Bord ge-