Band II, Einleitung 13. Kapitel
Während im Kapitel München (I/4) die deutsche Bündnispolitik vor dem Ersten Weltkrieg im Mittelpunkt steht, geht es in diesem Kapitel um Hitlers Vorstellungen einer künftigen deutschen Außenpolitik. Der Fokus auf außenpolitische Fragen verbindet die drei letzten Kapitel von Mein Kampf. Entstanden sind sie deutlich früher, als ihre Platzierung am Ende des Buchs vermuten lässt, nämlich während der Konzipierung, teilweise auch Ausarbeitung des ersten Bands. Dabei beansprucht Kapitel II/13 wegen seiner komplexen Entstehungs- und Publikationsgeschichte eine gewisse Sonderstellung: Bereits im April 1924 verfasste Hitler mit seinem Aufsatz Warum mußte ein 8. November kommen? eine frühe Version, die wiederum seine Äußerungen während des Gerichtsprozesses im Februar/März 1924 aufgriff. Das, was er hier über die politischen Ziele Großbritanniens und Frankreichs schrieb, ist mit den ersten Abschnitten von Kapitel II/13 weitgehend identisch.1 Auch ein Werbeflugblatt des Eher-Verlags vom Juni 1924 verwies schon auf Hitlers geplante Ausführungen über die angebliche »Bolschewisierung Europas«. Infolge der Neustrukturierung des Buchs im Frühjahr 1925 fanden sie jedoch keine Aufnahme im ersten Band, sondern erst in diesem Kapitel.2 Hitler ergänzte und erweiterte dann diese frühen Abschnitte im Herbst 1925, da seine außenpolitischen Vorstellungen auch im eigenen Lager auf scharfe Kritik gestoßen waren – namentlich seine strikte Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, vor allem aber seine Bereitschaft, zugunsten eines Bündnisses mit dem faschistischen Italien auf Südtirol zu verzichten.3 Weitere Differenzen ergaben sich bei den Themen Kolonialpolitik und Versöhnung mit Frankreich.4
Der Versuch des »linken Flügels« der NSDAP um Gregor Straßer und Joseph Goebbels, ein neues Programm durchzusetzen5, veranlasste Hitler im Frühjahr 1926 zur Gegenoffensive. Dazu gehörte auch seine Entscheidung, das vorliegende Kapitel vorab als eigenständige Broschüre unter dem Titel Die Südtiroler Frage und das Deutsche Bündnisproblem zu veröffentlichen. Die Schrift sorgte für einiges Aufsehen; sogar das Reichsministerium des Innern beschäftigte sich mit ihr.6 In seinem auf den 12. 2. 1926 datierten Vorwort schrieb Hitler, die Broschüre solle »unseren Anhängern jenes außenpolitische Denken vermitteln helfen, das uns in der Vorkriegszeit fehlte und dessen Fehlen mithalf, den Zusammenbruch herbeizuführen«.7 Das völkische Lager reagierte indes auf die Broschüre mehrheitlich ablehnend, wie auch das Reichsministerium des Innern feststellte.8 Selbst innerhalb der NSDAP stieß Hitler auf Unverständnis: Hans Frank, damals Hitlers Anwalt und später Generalgouverneur von Polen, nahm Hitlers Äußerungen sogar zum Anlass, vorübergehend aus der Partei auszutreten.9
Die Anzahl der Abweichungen zwischen der Broschüre und der Fassung in Mein Kampf ist erheblich: Insgesamt wurde der ursprüngliche Text an 255 Stellen verändert. Die meisten Modifikationen sind jedoch lediglich stilistischer Natur, etwa die Korrektur missglückter Metaphern.10 Weit weniger zahlreich sind orthografische Berichtigungen und kleinere inhaltliche Akzentverschiebungen.11 Die Kernaussagen des Texts blieben hingegen unangetastet.