»Herr, segne unsern Kampf« <span class="pagenumber">[291]</span>

150 Mehrere Aspekte spiegeln sich in dieser Passage: Zunächst lässt sie sich als ein weiterer Reflex auf die alliierte Propaganda im Ersten Weltkrieg verstehen, die Hitler bereits im Kapitel Kriegspropaganda (I/6) in ihrer Qualität und Quantität als vorbildlich und äußerst wirkungsvoll bezeichnet. Darüber hinaus steht hinter Hitlers Äußerung das Bedauern über den damals dürftigen Werbeetat der NSDAP. Die Parteipropaganda blieb bis 1930 maßgeblich von Reden, Aufmärschen und Demonstrationen geprägt, wohingegen Printmedien wie der 1920 erworbene Völkische Beobachter nur eine unterstützende Funktion besaßen – auch wenn der Frage nach dem Besitz eigener Zeitungen in der NSDAP seit jeher große Bedeutung beigemessen wurde. Von einer propagandistischen Nutzung und Vereinnahmung des Kinos oder Theaters konnten die Nationalsozialisten während der 1920er Jahre freilich nur träumen. Des Weiteren verweist Hitlers totalitärer Anspruch auf die spätere Gründung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 und dessen ausdifferenzierten Abteilungen: »Propaganda«, »Rundfunk«, »Presse«, »Film«, »Theater, Musik und Kunst« sowie »Abwehr«.

Vgl. Kershaw, Ideology; Paul, Aufstand, S. 8, 41 – 43, 48; Eatwell, Ideology, S. 173; Kap. I/10, Anm. 71, 141; Kap. II/11, Anm. 21.

151 Der Satz stammt aus einer freien Übersetzung des altniederländischen Dankgebets »Wilt heden nu treden« durch den Wiener Dichter Joseph Weyl aus dem Jahr 1877. Die letzte, martialisch gefärbte Strophe Weyls, die im Original keine Entsprechung hat, lautet: »Wir loben dich oben, du Lenker der Schlachten, / Und flehen, mögst stehen uns fernerhin bei, / Dass deine Gemeinde nicht Opfer der Feinde. / Dein Name sei gelobt, o Herr, mach uns frei!« Nach einer musikalischen Bearbeitung durch den Wiener Komponisten Eduard Kremser wurde Weyls Text im Deutschen Kaiserreich zu einem populären Lied, das im Ersten Weltkrieg häufig gesungen wurde. Auch nach 1918 wurde der Text in patriotischen Schriften und Feiern aufgegriffen. Konkret dürfte Hitler hier auf ein am 15. 6. 1924 feierlich in der Münchner Feldherrnhalle angebrachtes »Mahnmal« anspielen, das an die im Versailler Vertrag verlorenen Gebiete erinnerte und die Aufschrift: »Herr, mach’ uns frei!« trug. Nach einem Bericht des württembergischen Gesandten in München, Carl Moser von Filseck, nahmen bei dem Ereignis »Regimentsvereinigungen und vaterländische Verbände« auf dem Odeonsplatz Aufstellung. »Professor [Eduard] Herold aus Hof hielt die Weiherede, die in die Worte ausklang: ›Herr, mach’ uns frei!‹, worauf das Niederländische Dankgebet gesungen wurde.« Während Hitler sich hier despektierlich äußert, reagierten andere völkische Autoren deutlich positiver. Anlässlich der Errichtung des »Mahnmals« veröffentlichte Hans von Liebig (alias Walter Liek) im August 1924 ein wohlwollendes Gedicht in der Zeitschrift Deutschlands Erneuerung.

Vgl. Deutschlands Erneuerung 8 (1924), S. 462; Stahl und Eisen 44 (1924), S. 1352; Schumacher, Leben, S. 231; Benz (Hrsg.), Politik, Dok. 139, Zitat S. 159; Kaiser, Helden, S. 39 – 41, Zitat S. 40.

155 Die Angabe dieser kurzen Zeitspanne war zum damaligen Zeitpunkt zwar pure Effekthascherei, gleichwohl neigte Hitler dazu, für die Realisierung seiner politischen Ziele extrem wenig Zeit zu veranschlagen. Die Vorstellung, ihm persönlich stünde nicht mehr genügend Zeit zur Verwirklichung seiner politischen Visionen zur Verfügung, sollte vor allem sein politisch-militärisches Handeln während der Schlüsseljahre 1938 – 1940 bestimmen. Hitlers Überzeugung, nicht alt zu werden und durch niemanden ersetzt werden zu können, sorgte damals für eine bis dahin beispiellose Dynamisierung der deutschen Politik. Doch hatte Hitlers zunehmende Bereitschaft zum strategischen Risiko nicht nur persönliche Gründe. Absehbar war damals auch, dass der qualitative Vorsprung, den das Deutsche Reich in der Rüstung 1939 noch hatte, angesichts der zu erwartenden Gegnerschaft Großbritanniens und der USA verloren gehen würde.

Vgl. Domarus, Hitler, Bd. 1, S. 193 f.; Hitler, Monologe, Zitat S. 82; Haffner, Anmerkungen, S. 13; Hillgruber, Strategie, S. 719.

Forderungen liegt die größte Propagandawaffe zur Wiederaufrüttelung der eingeschlafenen Lebensgeister einer Nation.149

Dann muß allerdings, von der Fibel des Kindes angefangen bis zur letzten Zeitung, jedes Theater und jedes Kino, jede Plakatsäule und jede freie Bretterwand in den Dienst dieser einzigen großen Mission gestellt werden150, bis daß das Angstgebet unserer heutigen Vereinspatrioten »Herr, mach uns frei!«151 sich in dem Gehirn des kleinsten Jungen verwandelt zur glühenden Bitte: »Allmächtiger Gott, segne dereinst unsere Waffen; sei so gerecht, wie du es immer warst; urteile jetzt, ob wir die Freiheit nun verdienen; Herr, segne unsern#1930: unsern ersetzt durch: unseren;
1937: unsern;
1939: unseren Kampf!«152

Man hat alles versäumt und nichts getan.

Wer will sich nun wundern, wenn unser Volk nicht so ist, wie es sein sollte und sein könnte? Wenn die andere Welt in uns nur den Büttel sieht, den willfährigen Hund, der dankbar nach den Händen leckt, die ihn vorher geschlagen haben?

Sicherlich wird unsere Bündnisfähigkeit heute belastet durch unser Volk, am schwersten aber durch unsere Regierungen. Sie sind in ihrer Verderbtheit die Schuldigen, daß nach acht Jahren maßlosester Unterdrückung so wenig Wille zur Freiheit vorhanden ist.

So sehr#1937: So sehr ersetzt durch: Sosehr;
1939: So sehr also eine aktive Bündnispolitik gebunden ist an die nötige Werteinschätzung unseres Volkes, so sehr#1937: so sehr ersetzt durch: sosehr;
1939: so sehr ist diese wieder bedingt durch das Bestehen einer Regierungsgewalt, die nicht Handlanger sein will für fremde Staaten, nicht Fronvogt153 der eigenen#1929: der eigenen ersetzt durch: über die eigene;
1937: für die eigene;
1939: über die eigene Kraft, als#1930: als ersetzt durch: sondern vielmehr Herold154 des nationalen Gewissens.

Besitzt unser Volk aber eine Staatsleitung, die darin ihre Mission sieht, so werden keine sechs Jahre vergehen und der kühnen außenpolitischen Leitung des Reiches wird ein ebenso kühner Wille eines freiheitsdurstigen Volkes zur Verfügung stehen.155

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