Die Fundamente des kommenden Staates <span class="pagenumber">[390]</span>

210 Weder in völkischen Kreisen noch darüber hinaus stieß das Programm der NSDAP auf größeres Interesse. Der Völkische Beobachter hielt in seinem Bericht über die Versammlung vom 24. 2. 1920 nur lapidar fest, dass es »in den Grundzügen dem Programm der Deutschsozialistischen Partei nahekommt«. Die Münchener Zeitung, die Bayerische Staatszeitung und die München-Augsburger Abendzeitung brachten weitgehend identische Berichte über die Versammlung. Nur ganz kurz gingen sie dabei auf das Programm ein. Die Münchner Neuesten Nachrichten beließen es beim Hinweis auf ein Programm, das entwickelt worden sei. Am ausführlichsten beschäftigte sich noch das USPD-Blatt Der Kampf mit dem Programm der NSDAP, die bezeichnenderweise mit der DsP gleichgesetzt wurde: »Wir sehen uns aber versucht, diese Versammlung der Reaktion – soll heißen ›Deutsch-sozialistische Arbeiterpartei‹ – auch von einem anderen Gesichtspunkte aus zu betrachten. Nämlich einmal ihr Programm anzusehen, das sie der Einfachheit halber aus dem sozialistischen Programm heraus sich selber ›zugeschoben‹ hat.«

Vgl. Münchner Neueste Nachrichten vom 25. 2. 1920, »Die deutsche Arbeiterpartei«; Münchener Zeitung vom 25. 2. 1920, »Deutsche Arbeiterpartei«; München-Augsburger Abendzeitung vom 26. 2. 1920, »Was uns not tut«; Bayerische Staatszeitung vom 26. 2. 1920, »Die Deutsche Arbeiterpartei«; Der Kampf vom 26. 2. 1920, »Ein gestohlenes ›Programm‹!«; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 83, Zitat S. 111. 

211 Eine Anspielung auf das Redeverbot, das Anfang März 1925 in Bayern auf Initiative des bayerischen Innenministers Karl Stützel als »polizeiliche Präventivmaßnahme« gegen Hitler erlassen wurde. Schon am 27. 2. 1925 – am Tag von Hitlers Rede zur Neugründung der NSDAP – betonte Ministerpräsident Heinrich Held im Ministerrat, »daß Hitler heute abend [sic!] wieder an die breite Oeffentlichkeit trete. Er nehme an, daß Hitler klüger geworden sei. Wenn das nicht der Fall sei, dann müßte sein weiteres Auftreten verhindert werden«. »Klüger« war Hitler indes nicht geworden, vielmehr hielt er eine aggressive Rede. Dennoch wurden zunächst nur einzelne öffentliche Versammlungen verboten, was Hitler allerdings zu einer folgenschweren Provokation verleitete. In einer Versammlung am 9. 3. 1925 prahlte er: »Wer den Kampf mit uns will, der soll ihn haben, wer uns anfaßt, wird von allen Seiten gestochen. Ich werde das deutsche Volk aus dem Befreiungskampfe siegreich herausführen, wenn nicht auf friedlichem Wege, dann mit Gewalt. Diesen Satz wiederhole ich ausdrücklich für die Polizeispitzel, damit nicht wieder Falschmeldungen erfolgen.« Das Innenministerium nahm diese Äußerungen zum Anlass, die Maßnahmen gegen Hitler zu verschärfen. Ein grundsätzliches Redeverbot erging zwar nicht, aber die Polizeibehörden wurden angewiesen, Versammlungsverbote von Fall zu Fall präventiv zu prüfen. Das Ergebnis war indes dasselbe, da keine Auftritte Hitlers mehr genehmigt wurden – ungeachtet zahlreicher Proteste seitens der NSDAP. Hitler bezieht sich an dieser Stelle nur auf das Redeverbot in Bayern, da dessen Ausweitung auf andere Länder erst nach Erscheinen des ersten Bands von Mein Kampf erfolgte. Besonders gravierend war das am 26. 9. 1925 erlassene Redeverbot in Preußen.

Vgl. BayHStA, MA 100427: Ministerratssitzung vom 27. 2. 1925 und Schreiben des Innenministeriums vom 10. 3. 1925; BayHStA, MInn 81598: Erlass vom 26. 9. 1925; BayHStA, MInn 81599: Erläuterungen Stützels vom 16. 3. 1926, Überblick über die Landtagsdebatten vom 10. 1. 1927 und Reichstagsanträge; Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 6, 11, bes.S. 36, Anm. 5; Tyrell (Hrsg.), Führer, S. 107 f.; Plöckinger, Redner, S. 222; Ullrich, Hitler, Bd. 1, S. 215; Kap. I/1, Anm. 11; Kap. II/1, Anm. 22.

schaffen wurde, nicht nur um der jungen Bewegung Form und Inhalt zu geben, sondern um deren Ziele der breiten Masse verständlich zu machen.209

Aus sogenannten Intelligenzkreisen hat man darüber gewitzelt und gespöttelt und versucht, daran Kritik zu üben.210 Die Richtigkeit unserer damaligen Auffassung aber hat die Wirksamkeit dieses Programms ergeben.

Ich habe in diesen Jahren Dutzende von neuen Bewegungen erstehen sehen, und sie alle sind wieder spurlos verschwunden und verweht. Eine einzige aus diesen Jahren# 1930: gestrichen: aus diesen Jahren blieb: die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Und heute hege ich mehr denn je die Überzeugung, daß man sie bekämpfen kann, daß man versuchen mag, sie zu lähmen, daß kleine Parteiminister uns die Rede und das Wort verbieten können211, den Sieg unserer Gedanken werden sie nimmermehr verhindern.

Wenn von der gesamten heutigen Staatsauffassung und ihren Vertretern nicht einmal die Erinnerung mehr die Namen künden wird, werden die Grundlagen des nationalsozialistischen Programms die Fundamente eines kommenden Staates sein.

Die viermonatliche# 1930: viermonatliche ersetzt durch: viermonatige Versammlungstätigkeit vor dem Januar 1920 hatte# 1937: hatte ersetzt durch: hat;
1939: hatte uns langsam die kleinen Mittel erübrigen lassen, die wir zur Drucklegung unserer ersten Flugschrift, unseres ersten Plakates und unseres Programms benötigten.212

Wenn ich als Abschluß dieses Bandes diese erste große Massenversammlung der Bewegung nehme, so geschieht dies# 1930: dies ersetzt durch: es deshalb, weil mit ihr die Partei den engen Rahmen eines kleinen Vereins sprengte und an Stelle dessen zum ersten Male bestimmend auf den gewaltigsten# 1944: gewaltigsten ersetzt durch: gewaltigen Faktor unserer Zeit, die öffentliche Meinung, einwirkte.

Ich selbst besaß damals nur eine einzige Sorge: Wird der Saal gefüllt sein, oder werden wir vor einer leeren Halle# 1930: einer leeren Halle ersetzt durch: gähnender Leere sprechen? Ich hatte die felsenfeste innere Überzeugung, daß, wenn die Menschen kommen würden, der Tag ein großer Erfolg für die junge Bewegung werden müsse. So bangte ich dem damaligen Abend entgegen.