Die große, letzte Revolution <span class="pagenumber">[346]</span>

235 Die angebliche Zerstörung alles »Edlen«, »Guten« und »Schönen« durch die Juden war ein verbreiteter antisemitischer Topos. So meinte Theodor Fritsch in Der falsche Gott (1916): »Alles sittlich Erhabene, das seit Jahrtausenden die ehrenhaften Völker erfüllte, scheint auf einmal ausgelöscht vor dem bübischen Schleichergeiste [sic!], mit dem nun dieses sittlich niedrigste aller Völker die Welt umstrickte.« Als Ideal künstlerischer »Schönheit und Erhabenheit« galt vielen Völkischen das antike Griechenland. Das altgriechische Schönheitsideal würde – keineswegs nur in der plastischen Kunst – dem »arischen« bzw. »nordischen« Verständnis von Wohlgestalt entsprechen. So schrieb Julius Langbehn in Rembrandt als Erzieher (1890), »Krieg und Kunst« sei »eine griechische, eine deutsche, eine arische Losung; sie findet ihre schönste Verkörperung in dem Epos, der spezifisch arischen Dichtweise; und Homer’s Ilias ist ihr frühester Ausdruck.« Von der Völkerwanderung bis ins 19. Jahrhundert, so auch Hans F. K. Günther in seiner Rassenkunde des deutschen Volkes, sei der nordische Mensch »das Maß des Schönen« gewesen. In der deutschen Kunst habe dieses Schönheitsbild »etwa bis zum Ende der romantischen Richtungen« gegolten, sei dann jedoch durch den Impressionismus verdrängt worden. Alfred Rosenberg schrieb gar von einer »planmäßigen jüdischen Zersetzungstätigkeit«, durch die das »nordische« Schönheitsideal zerstört worden sei.

Die Schönheit oder Hässlichkeit der Kunst, so meinten viele Rassenideologen, entspräche dem Aussehen derjenigen Menschen, welche sie geschaffen hätten. Die »Arier«, so etwa Joseph Arthur de Gobineau, hätten sich nach ihrem Ebenbild »schön und edel gestaltete Götter« geschaffen. Ganz anders die Juden: »Wie der Jude eine Karikatur des Menschen ist, so ist Jahwe das Zerrbild eines Gottes«, meinte Theodor Fritsch. Dass solch platten Klischees allerdings nicht von allen Antisemiten geteilt wurden, zeigt sich an Houston Stewart Chamberlains Hauptwerk Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, in dem es über die sephardischen Juden heißt: »Das ist Adel im vollsten Sinne des Wortes, echter Rassenadel! Schöne Gestalten, edle Köpfe, Würde im Reden und Gebahren.«

Vgl. Langbehn, Rembrandt, Zitat S. 218; Chamberlain, Grundlagen, Bd. 1, S. 324; Günther, Ritter (1920), S. 144; Günther, Rassenkunde (1923), S. 325, Zitate S. 322, 392; Kraitschek, Rassenkunde, S. 128; Fritsch, Gott, Zitate S. 116 f.; Rosenberg, Mythus, S. 286, 296, Zitat S. 307; Gobineau, Mensch, S. 38 – 46, Zitat S. 45; Gobineau, Versuch, Bd. 4, S. 77; Efron, Defenders, S. 15.

236 Diese Passage erinnert stark an Alfred Rosenbergs Die Protokolle der Weisen von Zion und die jüdische Weltpolitik (1923): »Ein Beispiel monumentalster Art dieser jüdischen Weltzerstörung bietet uns Rußland. Der von Juden seit Jahrzehnten finanzierte und geheim durchgeführte Terror ist erst heute offenkundig geworden, und zwar verdanken wir den im bolschewistischen Rauschzustand befindlichen triumphierenden Hebräern selbst das Geständnis ihrer – Morde. Der Morde am russischen Zarenhaus und am russischen Volke.« Die von Hitler genannte Zahl an Opfern übersteigt indes bei Weitem die Gesamtzahl der Opfer des Russischen Bürgerkriegs (1917 – 1922). Diese gingen zudem keineswegs alle auf das Konto der Bolschewiki. Neben ihrem »Roten Terror« existierten auch der antikommunistische »Weiße Terror« und antijüdische Pogrome. Auch die militärischen Kämpfe, etwa im Baltikum, in der Ukraine und im Kaukasus, forderten zahlreiche Opfer – für die Hitler indes allein »die Juden« verantwortlich macht.

Dabei hatte Hitler die Zahl der Opfer schon nach unten korrigiert: Während er am 19. 8. 1921 auf einer NSDAP-Versammlung in Rosenheim noch von 40 Millionen Toten in Russland gesprochen hatte, erklärte er am 28. 7. 1922 auf einer NSDAP-Versammlung in München, dass »im Osten über 30 Millionen Menschen [...] langsam zu Tode gemartert worden« seien. Die revidierte Zahl, die auch in Mein Kampf Eingang fand, dürfte Hitler aus Alfred Rosenbergs Schrift Pest in Rußland (1922) übernommen haben. Liberale und sozialistische Autoren wiesen zwar bereits damals auf die Schwierigkeit hin, exakte Opferzahlen des »Roten Terrors« zu ermitteln; nichtsdestoweniger wurden von ihnen bis zu neun Millionen Opfer genannt. Die moderne Forschung beziffert die tatsächliche Zahl der Todesopfer des »Roten Terrors« bis Anfang der 1920er Jahre hingegen auf etwa eine Viertelmillion. Insgesamt forderten Revolution, Bürgerkrieg, Terror, Hunger und Seuchen in Russland bzw. der Sowjetunion von 1917 bis 1924 allerdings etwa zehn Millionen Menschenleben. Beachtenswert ist an dieser Stelle Hitlers Bezeichnung der Russen als ein »großes Volk«. Dies verweist auf die sehr frühe Entstehungszeit dieses Kapitelabschnitts und auf den Einfluss der Deutschbalten um Max von Scheubner-Richter und Alfred Rosenberg. Dieselbe Bezeichnung hatte auch Rosenberg in seiner Schrift Pest in Rußland verwendet. Unter dem Eindruck des – auch nach Lenins Tod Anfang 1924 – ausbleibenden Zusammenbruchs der Sowjetunion wandelte sich jedoch auch Hitlers Bild radikal. In später entstandenen Teilen von Mein Kampf finden sich nur noch abwertende Aussagen über die Sowjetunion und ihre Völker, etwa im Kapitel Ostorientierung oder Ostpolitik (II/14), in welchem er die slawischen Russen als »minderwertige Rasse« bezeichnet, die lediglich durch das »germanische Element«, nämlich die Deutschbalten, in einem stabilen Staat vereinigt worden sei.

Vgl. StA München, Pol. Dir. 6721; Rosenberg, Pest, S. 5, 78; Rosenberg, Protokolle, Zitat S. 41 (Herv. i. Orig.); Melgunow, Terror, S. 166 – 168; Döser, Russland, S. 43 f.; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 273, 275, 393, Zitat S. 663; Zarusky, Sozialdemokraten, S. 57 – 63, 163 – 167; Merz, Schreckbild, S. 211 – 224, 285 – 305, 316 – 331; Werth, Staat, S. 90, 140, 145; Hildermeier, Geschichte, S. 155 f.; Koenen, Geist, S. 75, 81 – 85; Baur, Kolonie, S. 209, 274 f., 280; Figes, Tragödie, S. 666 – 686; Baberowski, Terror, S. 38 – 42; Piper, Rosenberg, S. 68 – 70; Raleigh, War; Budnickij, Juden, S. 116, 118, 128; Herbeck, Feindbild, S. 165; Plöckinger, Soldaten, S. 231 – 233, 278 – 282, 323 f.; Kap. II/6, Anm. 86; Kap. II/14, Anm. 67, 95.

237 Antisemitische Horrorszenarien wie dieses hatten bei judenfeindlichen Autoren eine lange Tradition. Bereits in dem Pamphlet Die Juden und der Deutsche Staat (1861) von Heinrich Gottlieb Nordmann hieß es: »Ein deutscher Staat, in dessen Institutionen und Verwaltung der Jude sich einnistet, geht ebenso sicher dem Ruin entgegen, als ein Haus, welches der Schwamm befällt.« Von Nordmanns Schrift, in der sich zahlreiche antisemitische Stereotype finden, die auch in Mein Kampf auftauchen, erschienen bis 1883 elf Auflagen. 1920 brachte Theodor Fritsch eine 13.  Auflage heraus und schrieb im Vorwort, das Buch – dessen Verfasser Fritsch seinerzeit noch unbekannt war – würde »für alle Zeiten zu den klassischen Werken der deutschen Literatur zählen«. Auch Hitler bediente sich häufig solcher Horrorszenarien: Schon im Kapitel Wiener Lehr- und Leidensjahre (I/2) hatte er das Schreckensbild eines »menschenleer durch den Äther« ziehenden Planeten gezeichnet und dafür den Spott des renommierten Publizisten Stefan Großmann geerntet.

Vgl. Nordmann, Juden, Zitate S. 6 – 8, 11 f., 22, 24; Naudh, Juden, Zitate S. 3 f.; Kap. I/2, S. 66 sowie die dortige Kommentierung.

Kulturell verseucht er Kunst, Literatur, Theater, vernarrt das natürliche Empfinden, stürzt alle Begriffe von Schönheit und Erhabenheit, von Edel und Gut und zerrt dafür die Menschen hernieder# 1930: hernieder ersetzt durch: herab in den Bannkreis seiner eigenen schweinischen# 1926: schweinischen ersetzt durch: niedrigen;
1939: niederen;
1944: niedrigen Wesensart.235

Die Religion wird lächerlich gemacht, Sitte und Moral als überlebt hingestellt, so lange, bis die letzten Stützen eines Volkstums im Kampfe um das Dasein# 1926: eingefügt: als Menschen; 1930: wieder gestrichen: als Menschen auf dieser Welt als Menschen# 1926: gestrichen: als Menschen gefallen sind.

e)# 1926: e) ersetzt durch: l);
1939: m);
1944: l) Nun beginnt die große, letzte Revolution. Indem der Jude die politische Macht erringt, wirft er die wenigen Hüllen, die er noch trägt, von sich. Aus dem demokratischen Volksjuden wird der Blutjude und Völkertyrann. In wenigen Jahren versucht er, die nationalen Träger der Intelligenz auszurotten, und macht, indem er so die Völker# 1926: macht, indem er so die Völker ersetzt durch: macht die Völker, indem er sie ihrer natürlichen geistigen Führung# 1944: Führung ersetzt durch: Führer beraubt, sie# 1926: gestrichen: sie reif zum Sklavenlos einer dauernden Unterjochung.

Das furchtbarste Beispiel dieser Art bietet# 1944: bietet ersetzt durch: bildet Rußland, in dem# 1926: in dem ersetzt durch: wo er an die# 1926: gestrichen: die dreißig Millionen Menschen in wahrhaft satanischer# 1926: satanischer ersetzt durch: fanatischer;
1944: satanischer Wildheit teilweise unter unmenschlichen Qualen tötete oder verhungern ließ, um einem Haufen jüdischer Literaten und Börsenbanditen die Herrschaft über ein großes Volk zu sichern.236

Das Ende aber ist nicht nur das Ende der Freiheit der vom Juden unterdrückten Völker, sondern auch das Ende dieses Völkerparasiten selber. Mit# 1930: Mit ersetzt durch: Nach dem Tode des Opfers stirbt auch früher oder später dieser Völkervampyr mit# 1930: dieser Völkervampyr mit ersetzt durch: der Vampir .237

Wenn wir all die Ursachen des deutschen Zusammenbruches vor unserem Auge vorbeiziehen lassen, dann bleibt als die letzte und ausschlaggebende das Nichterkennen des Rasseproblems und besonders der jüdischen Gefahr übrig.238

Die Niederlagen auf dem Schlachtfelde im August 1918 wären spielend leicht zu ertragen gewesen. Sie standen in keinem Verhältnis zu den Siegen unseres Volkes.239 Nicht sie haben uns gestürzt, sondern gestürzt wurden wir von jener Macht, die diese Nieder-