Arbeitnehmer und Arbeitgeber <span class="pagenumber">[337]</span>

190 Sehr ähnlich führte etwa Henry Ford in seinem Pamphlet Der internationale Jude aus: »Mögen andere den Boden bebauen: Der Jude wird, wo er kann, von dem Boden-Bebauer leben. Mögen sich andere in Handwerk und Gewerbe placken: Der Jude zieht es vor, sich die Früchte ihres Schaffens anzueignen. Diese schmarotzende Neigung muß somit in seinem Wesen begründet liegen.«

Diese von einer Unzahl völkischer Ideologen verbreitete Unterstellung gründete auf verschiedenen Faktoren, insbesondere der jüdischen Überrepräsentation in bestimmten Berufsfeldern, vor allem im Geldhandel, der bereits seit der Antike als »Gewinn ohne Arbeit« verpönt war. Auch der Bildungsvorsprung vieler Juden sowie ihr vergleichsweise besserer Umgang mit den Errungenschaften der Moderne, der sich sowohl kulturell als auch historisch erklären lässt (Ausgrenzung und Einschränkungen durch Nichtjuden), spielten eine wichtige Rolle. Während vor allem Arbeiterschaft, Handwerk und Kleingewerbe unter den Nachteilen von Industrialisierung und Modernisierung litten, propagierten Antisemiten, dass die Juden von den Veränderungen nicht nur profitierten, sondern die negativen Entwicklungen sogar bewusst vorantrieben. So meinte etwa Constantin Frantz 1874 in Der Nationalliberalismus und die Judenherrschaft, die jüdische »Plutokratie« sei schuld an der Entstehung des Proletariats und am »Kampf zwischen ›arm‹ und ›reich‹«. Einerseits sei der Jude »zum politischen Faiseur und Raisonneur wie geboren«, wirke also als Initiator, »um die Massen zu einem gewaltsamen Umsturz anzureizen«; andererseits übernehme »der Jude« auch noch die Führung im ungerechten »Ausbeutungssystem«, das die jüdische »Geldherrschaft« erst ermöglicht habe, und in welchem er als »der speculative Lucrant« den realen Produzenten beherrsche und ausbeute sowie den Arbeiter dem Kapital »verknechte«. Aus den sozialen Unruhen zögen ausschließlich die Juden Nutzen. Auch der antisemitische Theologe Adolf Stoecker behauptete in seinen Reden und Schriften immer wieder, in Deutschland seien »die übelsten Vertreter des mammonistischen Geistes Juden« und »die übelsten Vertreter des Umsturzes gleichfalls Juden«. Man könne das »Joch der Juden nur brechen, wenn man sich vom Fortschritt« losmache.

Vgl. Frantz, Nationalliberalismus, Zitate S. 21, 25, 37, 41; Stoecker, Reden, Zitate S. 150; Ford, Jude, Bd. 2, Zitat S. 19; Kap. I/10, Anm. 41, 48.

191 Der Begriff »welsch« bedeutet so viel wie »aus dem Romanischen stammend«. Ursprünglich bezog er sich vorwiegend auf das Italienische (Italien wurde das »Welschland« genannt), später auf das Französische. Bereits seit dem 16. Jahrhundert wurde der Begriff in der Literatursprache abschätzig in betontem Gegensatz zu Deutsch verwendet. »Verwelschung« bezeichnete nicht zuletzt den Eingang romanischer Ausdrücke in die deutsche Sprache. So schrieb Friedrich Ludwig Jahn in seinem Werk Die deutsche Turnkunst (1816), nur »Sprachschwache und Afterdeutsche« würden ihre »Deutsche Heldensprache« vernachlässigen und sich der »Wälschsucht« hingeben: »Wälschen ist Fälschen, Entmannen der Urkraft, Vergiften des Sprachquell, Hemmen der Weiterbildsamkeit, und gänzliche Sprachsinnlosigkeit.« Die Vermengung des Deutschen mit anderen Sprachen war später zentrales Thema einiger Publikationen wie Die Verwelschung der deutschen Sprache (1885) von Viktor Martin Otto Denk und Sprich Deutsch! Ein Buch zur Entwelschung (1917) von Eduard Engel. Dass Hitler in den Juden die Drahtzieher der »Verwelschung« sah, hing eng mit der Vorstellung zusammen, Frankreich sei ein besonders »verjudetes« Land, oder wie Alfred Rosenberg 1924 schrieb, »das erste [Land], welches dem Parlamentarismus und damit der jüdischen Geldherrschaft zum Opfer fiel«. »Verwelschung« bezog sich für Hitler und andere Antisemiten nicht mehr nur auf den Sprachgebrauch, sondern auf die gesamte deutsche Kultur.

Vgl. Jahn/ Eiselen, Turnkunst, Zitate S. XIX f., XXII; Grimm, Wörterbuch, Bd. 27, Sp. 1327 – 1353; Denk, Verwelschung; Engel, Deutsch; Rosenberg, Frankreich, Zitat S. 1; Kap. II/13, Anm. 68, 101.

192 Hitler benutzt »Verjudung« hier als Chiffre für den liberalen, nach seiner Auffassung materialistischen Geist, den die Juden in die Gesellschaft eingeführt hätten und der zu einer Zerstörung der »idealistischen« Welt der »Arier« geführt habe. Eine ähnliche Interpretation findet sich auch in Heinrich Claß’ Schrift Wenn ich der Kaiser wärʼ: Um reich zu werden, so Claß, seien »allzu viele Deutsche« dem Beispiel der Juden gefolgt und hätten sich der »liberalen Auffassung« vom »freien Spiele der Kräfte« nicht widersetzt. »So ist unser wirtschaftliches Leben verwildert, und die Teilnehmer am Tanz ums goldene Kalb […] wurden, wenn man der Sache auf den Grund geht, moralisch, d. h. nach Gesinnung und Lebensauffassung zu Juden. Die Träger und Lehrer des heute herrschenden Materialismus sind die Juden; seine deutschgeborenen Anhänger sind den angeborenen Instinkten entfremdete Verführte.«

Vgl. Frymann, Kaiser, Zitate S. 32 (Herv. i. Orig.).

196 In Alfred Rosenbergs Schrift Die Spur des Juden im Wandel der Zeiten (1920) heißt es über die »Arbeitermassen«: »Daß auch hier die Juden an allererster Stelle standen und stehen, braucht wohl kaum noch betont zu werden, denn nie ist so offen mit dem Arbeiter Schindluder getrieben worden, wie von den jüdischen Intellektuellen von der Sorte der Trotzki, Bela Kuhn [sic!], Lewiné [sic!] und ihrer unzähligen Rassegenossen.« Die »Führer der Sozialdemokratie«, so Rosenberg weiter, seien »Juden oder Judentzer«. Ähnlich argumentierte Hitler am 22. 10. 1925 im Völkischen Beobachter: Um die Kontrolle über das Bürgertum wie über Arbeiter zu erlangen, rufe »der« Jude »nicht eine, sondern mehrere Bewegungen ins Leben, die in ihrer äußeren durchaus verschiedenen Aufmachung auch die auseinandergehendsten Elemente zu fassen vermögen. Für den Spießer des Bürgertums ist dann die demokratische Partei da, für den normalen Durchschnitts-Arbeiter die sozialdemokratische, für den radikalen Hitzkopf die kommunistische usw. So gelingt es ihm dann, Menschen, die nie in einen einzigen Rahmen passen würden, in verschiedenen Gruppen dennoch zu erfassen und dank seiner jüdischen Oberleitung in allen großen wesentlichen Fragen gemeinsam einzusetzen.«

Vgl. Rosenberg, Spur, Zitate S. 102; Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 76, Zitat S. 180 (Herv. i. Orig.); Reuth, Judenhass, S. 207. Zum Topos der »verjudeten« Sozialdemokratie vgl. Kap. I/5, Anm. 70.

Die Trennung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber erscheint jetzt auf allen Gebieten des Lebens vollzogen. Wie weit dabei die innere Verjudung unseres Volkes schon fortgeschritten ist, kann man an der geringen Achtung, wenn nicht schon Verachtung, ersehen, die man der Handarbeit an sich zollt.190 Deutsch ist dies nämlich# 1926: gestrichen: nämlich nicht. Erst die Verwelschung191 unseres Lebens, die aber in Wahrheit eine »Verjudung«# 1926: »Verjudung« ersetzt durch: Verjudung 192 war, wandelte die einstige Achtung vor dem Handwerk in eine gewisse Verachtung vor# 1926: gestrichen: vor jeder körperlichen Arbeit überhaupt um# 1926: gestrichen: um .193

So entstand# 1930: entstand ersetzt durch: entsteht tatsächlich ein neuer, nur sehr wenig geachteter Stand, und es mußte# 1930: mußte ersetzt durch: muß eines Tages die Frage entstehen# 1930: entstehen ersetzt durch: auftauchen , ob die Nation die Kraft besitzen würde, von sich aus den neuen Stand in die allgemeine Gesellschaft wieder einzugliedern, oder ob sich der standesmäßige# 1937: standesmäßige ersetzt durch: standesgemäße;
1939: standesmäßige Unterschied zur klassenartigen Kluft erweitert# 1926: erweitert ersetzt durch: erweitern würde .

Eines aber war# 1930: war ersetzt durch: ist sicher: der neue Stand194 besaß nicht die schlechtesten Elemente in seinen Reihen, sondern# 1930: eingefügt: im Gegenteil auf alle Fälle die tatkräftigsten. Die Überfeinerungen# 1930: Überfeinerungen ersetzt durch: Verfeinerungen der sogenannten »Kultur«# 1926: »Kultur« ersetzt durch: Kultur hatten hier noch nicht ihre zersetzenden und zerstörenden Wirkungen ausgeübt. Der neue Stand war in seiner breiten Masse noch nicht von dem Gifte pazifistischer Schwäche angekränkelt, sondern robust und, wenn nötig, auch brutal.

Während sich nun# 1926: gestrichen: nun das Bürgertum um diese unendlich wichtige# 1930: unendlich wichtige ersetzt durch: so schwerwiegende Frage überhaupt nicht bekümmert# 1944: bekümmert ersetzt durch: kümmert , sondern gleichgültig die Dinge laufen läßt195, erfaßt der Jude die unendliche# 1930: unendliche ersetzt durch: unübersehbare Möglichkeit, die sich hier für die Zukunft bietet, und indem er auf der einen Seite die kapitalistischen Methoden der Menschenausbeutung bis zur letzten Konsequenz organisiert, macht er sich an die Opfer seines Geistes und Waltens selber heran und wird in kurzer Zeit schon der Führer ihres Kampfes gegen sich selbst.196 Das heißt nun# 1926: gestrichen: nun freilich nur bildlich gesprochen »gegen sich selbst«, denn der große Meister im Lügen197 versteht es, sich wie immer als den »Reinen«# 1926: »Reinen« ersetzt durch: Reinen erscheinen zu lassen und die Schuld den anderen aufzubürden. Da er die Frechheit besitzt, die Masse selber so# 1926: gestrichen: so zu führen, kommt diese auch gar nicht auf den Gedanken, daß es sich hier# 1930: gestrichen: hier um den infamsten Betrug aller Zeiten handeln könnte.

Und doch war es so.