Der größte Wertfaktor – das Heer <span class="pagenumber">[295]</span>

270 Hitlers Darstellung erinnert auch hier an das Pamphlet Wenn ich der Kaiser wärʼ (1912), in dem ausdrücklich der »unvergleichliche Wert des Heeresdienstes nach der sozialen, gesundheitlichen, sittlichen und politischen Seite hin« hervorgehoben wird. Dabei entsprach die Deutung des Heeresdienstes als ein Bollwerk gegen drohende »Verweichlichung« und »Entartung« der Gesellschaft, insbesondere der männlichen Jugend, ganz der Selbstdarstellung und dem Selbstverständnis der kaiserlichen Armee. 1906 betonte etwa Oberstleutnant Ernst van den Bergh im Militär-Wochenblatt: »Wir wollen Männer erziehen, wie sie das Vaterland braucht, und noch viel mehr, wir wollen damit auf die Seele des ganzen Volkes einwirken, sie gesund und kräftig erhalten und sie mit idealen Vorstellungen erfüllen, gegenüber jenen ungesunden, weichlichen oder materiellen Einflüssen.« Dieses Selbstbild prägte zugleich die Außenwahrnehmung der Armee in nationalkonservativen Kreisen. Ähnliche Urteile finden sich auch bei völkischen Autoren, wenngleich dort immer auch Kritik an der formellen (nicht faktischen) Gleichstellung der Juden im Militär laut wurde.

Vgl. Bergh, Werte, Zitat S. 162 (Herv. i. Orig.); Frymann, Kaiser, Zitat S. 103; Rohkrämer, Militarismus, S. 236 – 241; Frevert, Militär; Frevert, Nation, S. 213 f.; Berghahn, Kaiserreich, S. 173. 

271 Die Vorstellung von der Armee als »Schule der Nation« geht auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen am 3. 9. 1814 zurück. Geprägt wurde das geflügelte Wort von dem preußischen Kriegsminister Hermann von Boyen. Mit den Heeresreformern Gerhard von Scharnhorst und August Graf Neidhardt von Gneisenau verband Boyen die Überzeugung, dass eine der wesentlichen Ursachen für die verheerende Niederlage Preußens gegen Frankreich im Jahr 1806 in der Distanz zwischen der bürgerlichen Zivilgesellschaft und dem Militär gelegen habe. Für Hitler war das Alte Heer die ehrwürdigste Einrichtung des Kaiserreichs. In einer Rede am 16. 9. 1935 ermahnte er die deutschen Soldaten, sich der »Opfer« des »alte[n], herrliche[n] Heer[es]« als »würdig und wert« zu erweisen und dessen Erbe als »Traditionsträger« zu pflegen. Besonders den erzieherischen Wert des Heeresdienstes hob Hitler hervor: »Denn ihr seid Männer geworden, und wir wollen, daß die ganze deutsche Jugend durch diese herrliche letzte Schule geht und genau so Mann wird, wie ihr es seid. Wir wollen ein hartes Geschlecht heranziehen, das stark ist, zuverlässig, treu, gehorsam und anständig, so daß wir uns unseres Volkes vor der Geschichte nicht zu schämen brauchen.«

Vgl. Domarus, Hitler, Bd. 2, Zitate S. 540; Craig, Stein, S. 821; Frevert, Nation, bes.S. 103 – 132; Fehrenbach, Régime, S. 122 f.; Walter, Reform, S. 188 f.; Anm. 81 in diesem Kapitel.

Niveau parteipolitischer Verpflichtungen. Dazu kam noch der Vorzug der persönlichen Verkörperung der Staatsspitze durch den Monarchen als Person und das Vorbild einer Verantwortung, die der Monarch mehr# 1926: mehr ersetzt durch: stärker zu tragen hat als der Zufallshaufe einer parlamentarischen Majorität. (Die# 1926: Majorität. (Die ersetzt durch: Majorität – die sprichwörtliche Sauberkeit der deutschen Verwaltung war in erster Linie dem zuzuschreiben.)# 1926: gestrichen: Klammer Endlich aber war der kulturelle Wert der Monarchie für das deutsche Volk ein hoher und vermochte sehr wohl andere Nachteile auszugleichen.268 Die deutschen Residenzen waren noch immer der Hort einer Kunstgesinnung, die in unserer vermaterialisierten Zeit ohnehin immer mehr auszusterben droht.269 Was die deutschen Fürsten für Kunst und Wissenschaft gerade im neunzehnten Jahrhundert taten, war vorbildlich. Die heutige Zeit darf jedenfalls damit nicht verglichen werden.

Als größten Wertfaktor in dieser Zeit der beginnenden und sich langsam weiterverbreitenden Zersetzung unseres Volkskörpers haben wir jedoch das Heer zu buchen.270 Es war die gewaltigste Schule der deutschen Nation271, und nicht umsonst richtete sich der Haß aller Feinde gerade gegen diesen Schirm der nationalen Selbsterhaltung# 1944: Selbsterhaltung ersetzt durch: Selbstverwaltung und Freiheit. Kein herrlicheres Denkmal kann dieser einzigen Einrichtung geschenkt werden als die Feststellung der Wahrheit, daß sie von allen Minderwertigen verleumdet, gehaßt, bekämpft, aber auch gefürchtet wurde. Daß sich die Wut der internationalen Volksausbeuter zu Versailles in erster Linie gegen das alte deutsche Heer richtete272, läßt dieses erst recht als Hort der Freiheit unseres Volkes vor der Macht der Börse erkennen. Ohne diese warnende Macht wäre der Sinn von Versailles an unserem Volke# 1944: Volke ersetzt durch: Volk schon längst vollzogen worden. Was das deutsche Volk dem Heere verdankt, läßt sich kurz zusammenfassen in ein einziges Wort, nämlich: Alles# 1937: Alles ersetzt durch: alles;
1944: Alles .

Das Heer erzog zur unbedingten Verantwortlichkeit in einer Zeit, da diese Eigenschaft schon sehr selten geworden war und das Drücken vor# 1933: vor ersetzt durch: von derselben immer mehr an die Tagesordnung kam, ausgehend von dem Mustervorbild aller Verantwortungslosigkeit, dem Parla-