Die Zunahme der Zersetzung <span class="pagenumber">[211]</span>

69 Die Anfang der 1920er Jahre geführte Debatte über die militärische Situation im Herbst 1918 war Teil der Auseinandersetzungen um die Dolchstoßlegende. Der zunehmende Mangel an Ersatztruppen wurde von vielen Militärs nicht etwa auf die völlige personelle und materielle Erschöpfung Deutschlands zurückgeführt, sondern auf die revolutionäre »Verhetzung« der Heimat. Die vermeintliche Wertlosigkeit und sittliche Verdorbenheit des militärischen Ersatzes zählte zu den Topoi dieser Diskussion. In der Schrift Die Kriegslage im Herbst 1918 (1922) betonte General Hermann von Kuhl: »Der junge Ersatz, der aus der Heimat kam, war verseucht und verdorben. Ohne strenge Zucht aufgewachsen, durch hohe Löhne in der Kriegsindustrie verwöhnt, antimilitaristisch verhetzt, konnte er der Front wenig Gewinn bringen.«

Vgl. Hindenburg, Leben, S. 360; Kuhl, Kriegslage, Zitat S. 20. Zur Dolchstoßlegende vgl. Kap. I/10, Anm. 13.

zugunsten einer Anzahl von Tagedieben# 1930: Tagedieben ersetzt durch: Taschendieben opfern; sie aber erfüllen konnte man nur dann, wenn man bereit war, Deutschland aufzugeben.

So aber dachten noch immer die weitaus meisten des kämpfenden Heeres. Nur der aus der Heimat kommende Nachschub wurde nun# 1926: gestrichen: nun rapid schlechter und schlechter, so daß sein Kommen keine Verstärkung als vielmehr# 1926: keine Verstärkung als vielmehr ersetzt durch: keine Verstärkung, sondern eine Schwächung der Kampfeskraft# 1930: Kampfeskraft ersetzt durch: Kampfkraft bedeutete. Besonders der junge Nachschub war zum großen Teil wertlos.69 Es war oft nur schwer zu glauben, daß dies Söhne desselben# 1939: desselben ersetzt durch: eines;
1944: desselben Volkes sein sollten, das einst seine Jugend zum Kampf um Ypern70 ausgeschickt hatte.

Im August und September nahmen die Zersetzungserscheinungen immer schneller zu, trotzdem die feindliche Angriffswirkung mit den# 1933: den ersetzt durch: dem Schrecken unserer Abwehrschlachten von einst nicht zu vergleichen war. Sommeschlacht und Flandern lagen demgegenüber grauenerregend in der Vergangenheit.

Ende September kam meine Division zum drittenmal# 1944: drittenmal ersetzt durch: dritten Male an die Stellen, die wir einst als junge Kriegsfreiwilligen-Regimenter gestürmt hatten.

Welch eine Erinnerung!

Im Oktober und November 1914 hatten wir dort die Feuertaufe erhalten.71 Vaterlandsliebe im Herzen und Lieder auf den Lippen war da# 1930: gestrichen: da unser junges Regiment in die Schlacht gegangen wie in den Tanz. Teuerstes Blut gab sich da freudig hin im Glauben, dem Vaterlande so seine Unabhängigkeit und Freiheit zu bewahren.

Im Juli 1917 betraten wir zum zweiten Male den für uns alle geheiligten Boden. Schlummern# 1930: Schlummern ersetzt durch: Schlummerten doch in ihm die besten Kameraden, Kinder noch fast, die einst mit strahlenden Augen für das einzige teure Vaterland in den Tod hineingelaufen waren!# 1937: Ausrufezeichen ersetzt durch: Punkt;
1939: Ausrufezeichen;
1944: Punkt

Wir Alten, die mit dem Regiment einst ausgezogen, standen nun# 1930: gestrichen: nun in ehrfürchtiger Ergriffenheit an dieser Schwurstätte von »Treue und Gehorsam bis in den Tod«.72

Diesen Boden, den das Regiment drei Jahre vorher gestürmt [hatte], sollte es nun in schwerer Abwehrschlacht verteidigen.