Die Los-von-Rom-Bewegung <span class="pagenumber">[120]</span>

239 Auch diese Passage ist als Ausdruck von Hitlers taktischer Überlegung zu verstehen, religiös denkende und empfindende Leser (sowie potenzielle künftige Wähler) nicht durch kirchenfeindliche Äußerungen vor den Kopf zu stoßen. Im vertrauten Umfeld äußerte er sich hingegen äußerst despektierlich und feindselig über die Kirchen und ihre Vertreter – insbesondere in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Dazu zählte auch die Ankündigung, mit den »Pfarrer[n] beider Konfessionen« – in den Augen Hitlers der »größte Krebsschaden« des deutschen Volkes – nach dem Krieg »ohne langes Federlesen« abrechnen zu werden. Freilich ist diese Ankündigung vor dem Hintergrund der zum Teil offenen Kritik von Kirchenvertretern am NS-Staat zu verstehen, doch verrät sie mehr über Hitlers tatsächliches Verhältnis zu Klerikern als die vorliegende Passage von Mein Kampf.

Vgl. Kap. II/1, Anm. 27.

240 Schon im 19. Jahrhundert gehörten »Sittlichkeitsvergehen« wie außereheliches Zusammenleben von Priestern mit Frauen, Verstöße katholischer Geistlicher gegen das Zölibat und Homosexualität zu den immer wiederkehrenden Stereotypen antiklerikaler Kritik. So berichteten etwa – und dies könnte eine mögliche Quelle für Hitler gewesen sein – Schönerers Unverfälschte Deutsche Worte »in geradezu pornographischem Stil […] über sexuelle Verfehlungen von Priestern und Mönchen«. Da die Kirche großes Interesse daran hatte, entsprechende Geschehnisse nicht publik werden zu lassen, zumal »sündige« Kleriker die moralische Autorität der Kirche infrage stellten, lässt sich kaum sagen, wie häufig diese tatsächlich vorkamen; bekannt wurden der Öffentlichkeit jedenfalls nur relativ wenige Fälle. Das änderte sich im Dritten Reich, da die Nationalsozialisten die Integrität und Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche durch eine entsprechende Propaganda, aber auch durch öffentliche Prozesse zu erschüttern suchten. Besonders die etwa 250 Sittlichkeitsprozesse, die 1936/37 gegen katholische Priester und Laienbrüder stattfanden, wurden dafür instrumentalisiert. Einseitige, übertriebene oder auch frei erfundene Berichte in der Presse sowie entwürdigende Karikaturen, etwa in Julius Streichers Hetzblatt Der Stürmer, begleiteten die Gerichtsverfahren. Hitler dienten die Sittlichkeitsprozesse als Druckmittel, um die katholische Kirche gefügig zu machen. In einem Gespräch mit Michael Kardinal von Faulhaber am 4. 11. 1936 auf dem Obersalzberg bot er an, die »Klosterprozesse« zu beenden, falls sich die katholischen Bischöfe vorbehaltlos hinter ihn stellen würden. Die katholische Kirche bestand jedoch auf ihren angestammten Rechten auf dem Gebiet der Seelsorge, der Erziehung und der sozialen Einrichtungen. Im März 1937 kritisierte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Mit brennender Sorge zudem die NS-Ideologie und die Verletzung des Konkordats durch das Dritte Reich. Hitler reagierte darauf mit einer Forcierung der Prozesse. Doch blieb der gewünschte Erfolg aus, da sich viele deutsche Katholiken nun verstärkt mit ihrer bedrängten Kirche solidarisierten. Hitler änderte daraufhin seine Strategie; zwar sah er in den christlichen Kirchen nach wie vor ein »Problem«, doch wollte er dieses erst in der Zukunft »lösen«.

Vgl. Neuhäusler, Kreuz, Bd. 1, S. 136 – 143; Hockerts, Sittlichkeitsprozesse, S. 70 f., 142 f., 208 – 216; Hamann, Wien, Zitat S. 356; Keysers (Hrsg.), Stürmer, S. 69 – 87; Forstner, Priester, S. 355 – 418; Kap. II/1, Anm. 27.

241 Ephialtes von Trachis, für Hitler der Inbegriff des Vaterlandsverräters, soll bei den Thermopylen (480 v. Chr.), wo ein griechisches Aufgebot unter dem Kommando des spartanischen Königs Leonidas den Durchmarsch des persischen Landheers nach Mittelgriechenland zunächst tagelang verhinderte, aus Geldgier die Griechen verraten haben. Angeführt von Ephialtes gelang es einer persischen Abteilung, die griechische Stellung auf dem durch Leonidas schlecht gesicherten Anopeia-Pass zu umgehen und einen Zangenangriff zu starten. Über die Lage informiert und in Erwartung der chancenlosen Schlacht entließ Leonidas einen Großteil des Heers, sodass mit ihm noch ca. 1.000 Hopliten, einer späteren Gedenkinschrift zufolge »dem Befehl getreu«, untergingen (300 Spartaner und etwa 700 freiwillig ausharrende Thespier; dazu kam noch eine Anzahl von Heloten als Waffendiener der Spartaner). Ephialtes soll, nach Flucht, Verurteilung in Abwesenheit und Mordaufruf, in seiner alten Heimat getötet worden sein.

In seinem krassen Widerspruch von schnödem Verrat einerseits sowie heldenhaftem Kampf und Todesbereitschaft andererseits diente dieser – die historische Wahrheit verzerrende und nur durch die nachfolgenden Siege der Griechen über die Perser mögliche – Glorifizierungsmythos während der Herrschaft des Nationalsozialismus immer wieder als Appell an die Opferbereitschaft sowie zur Choreografie des eigenen Untergangs. So verglich etwa Reichsmarschall Hermann Göring in einer gleichermaßen pathetischen wie makabren Ansprache am 30. 1. 1943 den Kampf der 6. deutschen Armee in Stalingrad mit der Schlacht an den Thermopylen: »Auch damals war es ein Ansturm von Horden, der sich hier am nordischen Menschen brach.« Noch krasser war das Urteil des Althistorikers Helmut Berve über das Sterben der Spartaner: »Wie die Größe, so lag wiederum die Wirkung der Tat gerade in ihrer Nutzlosigkeit.« Seinen Höhepunkt fand der Missbrauch des Thermopylenmythos im Jahr 1943, mit der Entscheidung der deutschen Luftwaffe für die Aufstellung der sogenannten Leonidas-Staffel für Selbstmordeinsätze; mit Ausnahme einiger Angriffe gegen die sowjetischen Pontonbrücken über die Oder zwischen dem 17. 4.  und 20. 4. 1945 kam diese Staffel aber nicht zum Einsatz.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 89; Bd. III/2, Dok. 23; Christ, Spartaforschung, Zitat S. 47; Beevor, Berlin, S. 262; Chapoutot, Nationalsozialismus, S. 383 – 385, Zitat S. 385.

Die ebenso dumme wie vergeßliche Mitwelt wird# 1930: wird ersetzt durch: erkennt dann den wahren Urheber des ganzen Kampfes schon des großen Geschreies wegen meistens nicht erkennen, oder sich seiner nicht mehr erinnern# 1930: nicht erkennen, oder sich seiner nicht mehr erinnern ersetzt durch: nicht oder erinnert sich seiner nicht mehr , und der Lump hat nun ja# 1926: nun ja ersetzt durch: ja nun eigentlich sein Ziel erreicht.

Daß dies mit Religion gar nichts zu tun hat, weiß so ein listiger Fuchs ganz genau, er wird sich# 1930: gestrichen: sich; 1939: wieder eingefügt: sich also um so mehr im stillen in das# 1944: in das ersetzt durch: ins Fäustchen lachen, während sein ehrlicher aber ungeschickterer# 1933: ungeschickterer ersetzt durch: ungeschickter Gegner das Spiel verliert, um eines Tages, an Treu und Glauben der Menschheit verzweifelnd, sich von allem zurückzuziehen.

Es wäre aber auch in anderer Hinsicht nur unrecht, die Religion als solche oder selbst die Kirche für die Verfehlungen einzelner verantwortlich zu machen. Man vergleiche die Größe der vor dem Auge stehenden sichtbaren Organisation mit der durchschnittlichen Fehlerhaftigkeit der Menschen im allgemeinen und# 1937: eingefügt: man; 1939: wieder gestrichen: man wird zugeben müssen, daß das Verhältnis von Gutem und Schlechtem dabei besser ist als wohl irgendwo anders. Sicher gibt es auch unter den Priestern selber solche, denen ihr heiliges Amt nur ein Mittel zur Befriedigung ihres politischen Ehrgeizes ist, ja, die im politischen Kampfe in oft mehr als beklagenswerter Weise vergessen, daß sie denn doch die Hüter einer höheren Wahrheit sein sollten und nicht Vertreter von Lüge und Verleumdung238 – allein auf einen solchen Unwürdigen treffen doch auch wieder tausend und mehr ehrenhafte, ihrer Mission auf das treueste ergebene Seelsorger, die in unserer heutigen so# 1926: so ersetzt durch: ebenso verlogenen als verkommenen Zeit wie kleine Inseln aus einem allgemeinen Sumpfe herausragen.239

So wenig# 1937: So wenig ersetzt durch: Sowenig;
1939: So wenig ich die Kirche als solche verurteile und verurteilen darf, wenn einmal ein verkommenes Subjekt im Priesterrock sich in schmutziger Weise an der Sittlichkeit verfehlt240, so wenig# 1937: so wenig ersetzt durch: sowenig;
1939: so wenig aber auch, wenn ein anderer unter den vielen sein Volkstum besudelt und verrät in Zeitläuften, in denen dies ohnehin geradezu alltäglich ist. Besonders heute möge man dann nicht vergessen, daß auf einen solchen Ephialtes241 aber# 1926: gestrichen: aber auch Tausende treffen, die mit blutendem Herzen das Unglück ihres Volkes mitempfinden und genau so wie die Besten unserer Nation die Stunde herbeisehnen, in der auch uns der Himmel wieder einmal lächeln wird.