Nicht Waffen, sondern Wille entscheidet <span class="pagenumber">[347]</span>

85 Das Wunschbild einer politisch und weltanschaulich homogenen, »ganzheitlichen« Gesellschaft unter Ausschluss oder Neutralisierung aller linkspolitischen (und liberalen) Kräfte wurde in der völkischen Literatur immer wieder beschworen, insbesondere nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die 1923 von Adolf-Viktor von Koerber veröffentlichte Schrift Der völkische Ludendorff überlieferte neben zahlreichen anderen »Ludendorff-Worten« etwa folgendes Zitat: »Es ist unser völkisches Ziel, durch Kampfgemeinschaft die wahre, echte Volksgemeinschaft im deutschvölkischen Geiste herzustellen, in der marxistische und kommunistische Ideen keinen Raum haben.«

Vgl. Koerber, Ludendorff, Zitat S. 163 (Herv. i. Orig.); Kap. I/4, Anm. 154. Zum traditionsreichen Topos der inneren »Zerrissenheit«, die das deutsche Volk seit jeher gelähmt und von der ihm gebührenden, politischen Führungsrolle abgehalten habe, vgl. Kap. II/2, Anm. 49.

Mit dieser Einstellung des Bürgertums und Schonung des Marxismus war aber 1923 das Schicksal jedes aktiven Ruhrwiderstandes von vornherein entschieden. Gegen Frankreich kämpfen zu wollen mit dem Todfeind in den eigenen Reihen, war heller Blödsinn. Was man dann noch machte, konnte höchstens Spiegelfechterei sein, aufgeführt, um das nationalistische Element in Deutschland etwas zu befriedigen, die »kochende Volksseele« zu beruhigen, oder in Wirklichkeit zu düpieren. Hätten sie ernstlich an das geglaubt, was sie taten, so hätten sie doch erkennen müssen, daß die Stärke eines Volkes in erster Linie nicht in seinen Waffen, sondern in seinem Willen liegt, und daß, ehe man äußere Feinde besiegt, erst der Feind im eigenen Inneren#1939: Inneren ersetzt durch: Innern vernichtet werden muß; sonst wehe, wenn nicht der Sieg schon am ersten Tage den Kampf belohnt.#1939: Punkt ersetzt durch: Ausrufezeichen Sowie auch nur der Schatten einer Niederlage über ein im Inneren#1939: Inneren ersetzt durch: Innern nicht von Feinden freies#1944: freies ersetzt durch: befreites Volk streicht, wird dessen Widerstandskraft zerbrechen und der Gegner endgültig Sieger werden.

Das konnte man damit schon im Frühjahr 1923 voraussagen. Man rede durchaus nicht von der Fraglichkeit eines militärischen Erfolges gegen Frankreich! Denn wenn das Ergebnis des deutschen Handelns gegenüber dem Ruhreinfall der Franzosen nur die Vernichtung des Marxismus im Innern#1937: Innern ersetzt durch: Inneren;
1939: Innern gewesen wäre, so würde schon damit der Erfolg auf unserer Seite gewesen sein. Ein Deutschland, von diesen Todfeinden seines Daseins und seiner Zukunft erlöst, besäße Kräfte, die keine Welt mehr abzuwürgen vermöchte. An dem Tage, da in Deutschland der Marxismus zerbrochen wird, brechen in Wahrheit für ewig seine#1944: seine ersetzt durch: unsere Fesseln. Denn niemals sind wir in unserer Geschichte durch die Kraft unserer Gegner besiegt worden, sondern immer nur durch unsere eigenen Laster und durch die Feinde in unserem eigenen Lager.85

Nachdem#1929: Nachdem ersetzt durch: Da die deutsche Staatsleitung sich damals zu einer solchen heroischen Tat nicht aufzuraffen vermochte, hätte sie sinngemäß eigentlich nur mehr den ersten Weg gehen können, nämlich den, nun überhaupt nichts zu tun, sondern die Dinge laufen zu lassen, wie sie eben liefen.