Gegentendenz des Staates <span class="pagenumber">[188]</span>

182 Die Einstellung der deutschen Parteien zur Reichswehr wie überhaupt zum Wehrgedanken war genauso heterogen wie ihre Weltanschauung, ihre Politik und soziale Basis. Lehnten KPD und USPD alle militärischen Organisationen des bestehenden »Systems« generell ab, wobei die USPD im Gegensatz zur KPD meist pazifistische Vorstellungen vertrat, so war die SPD in militärpolitischen Fragen tief gespalten. Von wenigen Ausnahmen wie Gustav Noske und Otto Braun abgesehen, war für die meisten Sozialdemokraten die Reichswehr nur akzeptabel, wenn diese sich »als dienendes Glied in die demokratische Republik« einordne – so die Richtlinien zur Wehrpolitik der SPD vom Mai 1929. Auch hätten es viele Sozialdemokraten gern gesehen, wenn die Reichswehr in eine Art Miliz umgewandelt worden wäre. Das Verhältnis der »Mittelparteien« DDP, Zentrum, BVP und DVP zur Reichswehr war hingegen außerordentlich wohlwollend. Ihre Positionen unterschieden sich nur in Details; in der DDP waren auch einige pazifistische Stimmen vertreten, bei der BVP wurde dagegen der föderalistische Gedanke stärker betont. Die größte politische und mentale Übersteinstimmung bestand zweifellos zwischen der DNVP und der Reichswehr, schon weil sich die Bewaffnete Macht, nicht nur deren Offizierskorps, oft aus ähnlichen Milieus rekrutierten wie die Wähler der DNVP. Interessanterweise war das Verhältnis der NSDAP zur Reichswehr deutlich distanzierter und gekennzeichnet von einer ideologisch wie taktisch bedingten Zweigleisigkeit: Das prinzipielle Bekenntnis zur Gewalt wie überhaupt zum Militärischen war eines der zentralen nationalsozialistischen Ideologeme, allerdings sah die NSDAP in der Reichswehr zunehmend ein Machtinstrument der verhassten Republik. Dies führte vor allem in deren letzten Jahren zu einer wachsenden Konfrontation zwischen der Reichswehrführung und der NSDAP.

Vgl. Wohlfeil/ Dollinger, Reichswehr, S. 98 – 112; Bergien, Republik.

Wie gleichgültig und vollständig wertlos ein solches Vorgehen in seinen Ergebnissen sein würde, kann noch besonders belegt werden durch die Tatsache, daß in derselben Zeit, in der ein sogenannter freiwilliger Wehrverband mit Ach und Krach und Mühe und Nöten ein paar tausend an sich gutwillige Menschen (an andere kommt er überhaupt nicht heran) im Wehrgedanken ausbildet oder auszubilden versucht, der Staat selber durch die pazifistisch-demokratische Art seiner Erziehung Millionen und Millionen junger Leute konsequent ihrer natürlichen Instinkte beraubt, ihr logisches vaterländisches Denken vergiftet und sie so allmählich zu einer jeglicher Willkür gegenüber geduldigen Hammelherde verwandelt.182

Wie lächerlich sind doch im Vergleich hierzu alle Anstrengungen der Wehrverbände, ihre Gedanken der deutschen Jugend vermitteln zu wollen.#1939: Punkt ersetzt durch: Ausrufezeichen

Aber fast noch wichtiger ist folgender Gesichtspunkt, der mich schon immer gegen jeden Versuch einer sogenannten militärischen Wehrhaftmachung auf freiwilliger Verbandsgrundlage Stellung nehmen ließ:

Angenommen, es würde trotz der vorher erwähnten Schwierigkeiten dennoch einem Verbande gelingen, eine bestimmte Anzahl Deutscher Jahr für Jahr zu wehrhaften Männern auszubilden, und zwar sowohl im Hinblick auf ihre Gesinnung als auch auf ihre körperliche Tüchtigkeit und waffenmäßige Schulung, so müßte das Ergebnis dennoch gleich Null sein in einem Staat, der seiner ganzen Tendenz nach eine solche Wehrhaftmachung gar nicht wünscht, ja direkt haßt, da sie dem innersten Ziele seiner Leiter – der Verderber dieses Staates – vollständig widerspricht.183

Auf alle Fälle aber würde ein solches Ergebnis wertlos sein unter Regierungen, die nicht nur durch die Tat bewiesen haben, daß ihnen an der militärischen Kraft der Nation nichts liegt, sondern die vor allem auch gar nie gewillt sein würden, einen Appell an diese Kraft zu erlassen, außer höchstens zur Stützung ihres eigenen verderblichen Daseins.

Und heute ist das doch so. Oder ist es nicht lächerlich, für ein Regiment einige zehntausend Mann im Zwielicht der Dämmerung