Festigkeit des Programms <span class="pagenumber">[99]</span>

32 Die katholische Kirche stellte sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert vehement gegen zahlreiche gesellschaftliche Modernisierungserscheinungen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse und Neuerungen, von denen sie sich in ihrem Glauben und in ihrer Identität bedroht sah. Im Bereich der Naturwissenschaften attackierte sie besonders scharf die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Die Modernisierungsskepsis ging jedoch weit darüber hinaus. So wandte sich Papst Pius IX. in dem 1864 veröffentlichten Syllabus Errorum (»Verzeichnis der Irrtümer«) ebenso gegen Demokratie und Volkssouveränität wie gegen zentrale Forderungen des politischen Liberalismus – vor allem gegen die Freiheit von Presse, Meinung, Gewissen und Religion. Hieran knüpfte Papst Leo XIII. nahtlos an, der in der Enzyklika Libertas praestantissimum donum (1888) zudem die Idee allgemeiner Menschenrechte verwarf. 1910 führte Papst Pius X. schließlich den bis 1967 gültigen »Antimodernisteneid« ein. In ihm mussten sich katholische Kleriker der unbedingten päpstlichen Autorität unterwerfen, gegen eine historisch-kritische Bibelexegese stellen und jenem liberalen Gedankengut abschwören, das bereits im Syllabus Errorum als unchristlich stigmatisiert worden war. Trotz dieser Verweigerungshaltung wäre es jedoch irrig, in der katholischen Kirche im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine völlig reformunwillige Organisation zu sehen. Gerade während des Pontifikats Pius X. wurden auch bedeutende innerkirchliche Reformen angestoßen, vor allem in der Reorganisation der römischen Kurie, der Kodifizierung des kanonischen Rechts und der Gestaltung der Liturgie. Das 1903 von Pius X. formulierte Prinzip der »participatio actuosa« sah etwa eine »lebendige Teilnahme« der Gemeinde am Gottesdienst vor, an dem diese zuvor kaum aktiv mitwirken durfte.

Vgl. Aubert, Reformpapst; Aubert, Reformwerk; Wolf, Kirche; Neuner, Versuch; Klöckener, Bewegung, S. 25; Lausten, Kirchengeschichte, S. 255 – 257; Arnold, Geschichte, S. 89 – 137.

füllen, wenn man durch dauernde Veränderungen am äußeren Bau derselben selbst Unsicherheit und Zweifel verbreitet.#1929: Punkt ersetzt durch: Fragezeichen31

Das Wesentliche darf eben nie in der äußeren Fassung, sondern stets nur im inneren#1937: inneren ersetzt durch: tieferen;
1939: inneren Sinn gesucht werden. Und dieser ist unveränderlich; und in seinem Interesse kann man zuletzt nur wünschen, daß#1929: eingefügt: sich die Bewegung durch Fernhalten aller zersplitternden und Unsicherheit erzeugenden Vorgänge die nötige Kraft zu seiner Verfechtung sich#1929: gestrichen: sich erhalte.

Auch hier hat man zu lernen#1929: gestrichen: zu lernen an der katholischen Kirche#1929: eingefügt: zu lernen. Obwohl ihr Lehrgebäude in manchen Punkten, und zum Teil ganz überflüssigerweise, mit der exakten Wissenschaft und der Forschung in Kollision gerät, ist sie dennoch nicht bereit, auch nur eine kleine Silbe von ihren Lehrsätzen zu opfern.32 Sie hat sehr richtig erkannt, daß ihre Widerstandskraft nicht in einer mehr oder minder großen Anpassung an die jeweiligen wissenschaftlichen Ergebnisse liegt, die in Wirklichkeit doch ewig schwanken, als#1930: als ersetzt durch: sondern vielmehr im starren Festhalten an einmal niedergelegten Dogmen, die dem Ganzen erst den Glaubenscharakter verleihen. So steht sie heute fester da als je. Man kann prophezeien, daß in eben dem Maße, in dem die Erscheinungen fliehen, sie selbst als ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht immer mehr blinde Anhänglichkeit erringen wird.33

Wer also den Sieg einer völkischen Weltanschauung wirklich und ernstlich wünscht, der muß nicht nur erkennen, daß zur Erringung eines solchen Erfolges erstens nur eine kampfkräftige#1933: kampfkräftige ersetzt durch: kampffähige Bewegung geeignet ist, sondern daß zweitens eine solche Bewegung selbst nur standhalten wird unter Zugrundelegung einer unerschütterlichen Sicherheit und Festigkeit ihres Programms. Sie darf sich nicht unterstehen, in der Formulierung desselben dem jeweiligen Zeitgeist Konzessionen zu machen, sondern muß eine einmal als günstig befundene Form für immer beibehalten#1933: beibehalten ersetzt durch: beizubehalten, auf alle Fälle aber so lange, bis sie der Sieg gekrönt hat. Vorher zersplittert jeder Versuch, Auseinandersetzungen über die Zweckmäßigkeit des einen