Wert der Persönlichkeit <span class="pagenumber">[84]</span>

17 Trotz des in der NS-Bewegung verbreiteten Anti-Intellektualismus nahm der NS-Staat keine prinzipiell wissenschaftsfeindliche Haltung ein. Vielmehr griff er seit den 1930er Jahren gezielt auf akademisches Fach- und Expertenwissen zurück – gerade in der für die Kriegsvorbereitungen des Regimes essenziellen Rüstungsforschung. Davon profitierten vor allem die Technik- und Naturwissenschaften, bei denen die anwendungsorientierte Forschung in den Vordergrund trat. Die Geistes- und Sozialwissenschaften verloren demgegenüber an Boden. Den politischen Rahmen dieser Entwicklung bildete der im September 1936 verkündete »Vierjahresplan«, der die deutsche Wirtschaft auf den Krieg vorbereiten sollte. Die von Hitler skizzierte Unterordnung der »Organisation« gegenüber dem individuellen Forscher (»Erfinder«) wurde dabei freilich nicht realisiert. Im Gegenteil: Wissenschaftliche Karrieren waren nach 1933 grundsätzlich an die Voraussetzung geknüpft, die Ziele und Vorgaben des Regimes ohne Widerspruch hinzunehmen und lediglich über deren Umsetzung, nicht aber über deren Berechtigung oder deren Sinn, zu diskutieren.

Vgl. Hachtmann, Wissenschaftsmanagement, Bd. 1, bes.S. 195 – 203, 312 – 315, 571 – 597; Maier, Forschung, Bd. 1, bes.S. 361 – 441; Grüttner, Wissenschaftler.

19 Hitler verwendete den Begriff »Masse« in seinen Schriften für sehr unterschiedliche Personengruppen, vom einfachen Versammlungspublikum bis hin zur Gesamtheit des Volkes. Konstant war dabei die Einschätzung, dass die Masse stets von Emotionalität bestimmt sei, was Hitler abschätzig als einen »femininen« Wesenszug verstand. Vielfach verband Hitler den Begriff der »Masse« mit Attributen wie »faul«, »dumm« und »primitiv« – Assoziationen, die sich auch schon in Gustave Le Bons Psychologie der Massen finden. Le Bon konstatierte lapidar: »Es ist die Dummheit, nicht der Geist, der sich in den Massen akkumuliert«. Ob Hitler Le Bons Schrift aus erster Hand kannte, ist indes unklar. »Masse« fungierte bei Hitler zumeist als Gegenstück zum Begriff der »Persönlichkeit«, in deren »Genialität« und »Tatkraft« er bereits im Kapitel Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (I/12) die einzige Voraussetzung für den »Fortschritt und die Kultur der Menschheit« sah. Frei von Widersprüchen war Hitlers Verständnis von »Masse« gleichwohl nicht. Vereinzelt finden sich in seinen Schriften auch positive Wertungen, etwa wenn er ihre vermeintliche »Ursprünglichkeit« und »Instinkthaftigkeit« betont.

Vgl. Le Bon, Psychologie, Zitat S. 14; Paul, Aufstand, S. 30 – 33; Zehnpfennig, Kampf (2000), S. 168 f.; Plöckinger, Rhetorik, S. 128 f.; Kap. I/2, Anm. 113; Kap. I/12, S. 365.

Lebewesen zu erheben, stärkt es und festigt es seine Stellung so, daß er in jeglicher Hinsicht zum dominierenden Wesen auf dieser Erde sich auswächst.

Alle Erfindungen sind also das Ergebnis des Schaffens einer Person. Alle diese Personen selbst sind, ob gewollt oder ungewollt, mehr oder minder große Wohltäter aller#1939: aller ersetzt durch: der;
1944: aller Menschen. Ihr Wirken gibt Millionen, ja Milliarden von menschlichen Lebewesen später Hilfsmittel zur Erleichterung der Durchführung ihres Lebenskampfes in die Hand.

Wenn wir im Ursprung der heutigen materiellen Kultur immer einzelne Personen als Erfinder sehen, die sich dann gegenseitig ergänzen und einer auf dem anderen wieder weiterbauen, dann aber genau so in der Ausübung und Durchführung der von den Erfindern erdachten und entdeckten Dinge. Denn auch sämtliche Produktionsprozesse sind in ihrem Ursprung selbst wieder Erfindungen gleichzusetzen und damit abhängig von der Person. Auch die rein theoretische gedankliche Arbeit, die im einzelnen gar nicht meßbar, dennoch die Voraussetzung für alle weitere#1930: weitere ersetzt durch: weiteren materiellen Erfindungen ist, erscheint wieder als das ausschließliche Produkt der Einzelperson. Nicht die Masse erfindet und nicht die Majorität organisiert oder denkt, sondern in allem immer nur der einzelne Mensch, die Person.

Eine menschliche Gemeinschaft erscheint nur dann als gut organisiert, wenn sie diesen schöpferischen Kräften in möglichst entgegenkommender Weise ihr#1933: ihr ersetzt durch: ihre Arbeiten erleichtert und nutzbringend für die Gesamtheit anwendet. Das Wertvollste an der Erfindung selbst, mag sie nun im Materiellen oder in der Welt der Gedanken liegen, ist zunächst der Erfinder als Person. Ihn also für die Gesamtheit nutzbringend anzusetzen, ist erste und höchste Aufgabe der Organisation einer Volksgemeinschaft. Ja, die Organisation selbst hat nur eine Vollstreckung dieses Grundsatzes zu sein.17 Damit wird sie auch erst von dem#1929: von dem ersetzt durch: vom Fluche des Mechanismus erlöst und wird selbst zu etwas Lebendigem.18 Sie muß in sich selbst eine Verkörperung des Strebens sein, die Köpfe über die Masse zu stellen und diese mithin den Köpfen unterzuordnen.19