Band II, Kapitel 2
unseres heutigen Geschichtsunterrichtes ist in neunundneunzig von hundert Fällen ein klägliches. Wenige Taten, Geburtsziffern und Namen pflegen da übrig zu bleiben#1937: übrig zu bleiben ersetzt durch: übrigzubleiben, während es an einer großen, klaren Linie gänzlich fehlt.131 Alles Wesentliche, auf das es eigentlich ankäme, wird überhaupt nicht gelehrt, sondern es bleibt der mehr oder minder genialen Veranlagung des Einzelnen überlassen, aus der Flut von Daten, in#1929: in ersetzt durch: aus der Reihenfolge von Vorgängen, die inneren Beweggründe herauszufinden.132 Man kann sich gegen diese bittere Feststellung sträuben soviel man will; man lese nur die während einer einzigen Sitzungsperiode von unseren Herren Parlamentariern zu politischen Problemen, etwa außenpolitischen Fragen, gehaltenen Reden aufmerksam durch; man bedenke dabei, daß es sich hier – wenigstens behauptungsweise – um die Auslese der deutschen Nation handelt, und daß jedenfalls ein großer Teil dieser Leute die Bänke unserer Mittelschulen drückte, teilweise sogar auf Hochschulen war, und man wird daraus so recht ersehen können, wie gänzlich ungenügend die geschichtliche Bildung dieser Menschen ist. Wenn sie gar nicht Geschichte studiert hätten, sondern nur gesunden Instinkt besäßen, würde es wesentlich besser und für die Nation von größerem Nutzen sein.
Gerade im Geschichtsunterricht muß eine Kürzung des Stoffes vorgenommen werden. Der Hauptwert liegt im Erkennen der großen Entwicklungslinien. Je mehr der Unterricht darauf beschränkt wird, um so mehr ist zu hoffen, daß dem Einzelnen aus seinem Wissen später ein Vorteil erwächst, der summiert auch der Allgemeinheit zugute kommt. Denn man lernt eben nicht Geschichte, nur um#1937: nur um ersetzt durch: um nur;
1939: nur um;
1944: um nur zu wissen, was gewesen#1944: gewesen ersetzt durch: geschehen ist, sondern man lernt Geschichte, um in ihr eine Lehrmeisterin für die Zukunft und für den Fortbestand des eigenen Volkstums zu erhalten. Das ist der Zweck, und der geschichtliche Unterricht ist nur ein Mittel zu ihm.133 Heute ist aber auch hier das Mittel zum Zweck geworden, der Zweck scheidet vollkommen aus.134 Man sage nicht, daß gründliches Geschichtsstudium die Beschäftigung mit all diesen einzelnen Daten eben erfordere, da ja nur aus ihnen heraus eine Festlegung der großen Linie stattfinden könne. Diese Festlegung ist Aufgabe der Fachwissenschaft. Der normale Durch-