Geistige Marschleistungen nach Berlin <span class="pagenumber">[384]</span>

179 Gemeint ist der Gymnasialprofessor Hermann Bauer (1884 – 1960), führender Funktionär der Bayerischen Mittelpartei (BMP) sowie Vorsitzender der Vereinigten Vaterländischen Verbände Bayerns, in die Hitler und die NSDAP im Winter 1922/23 für kurze Zeit eingebunden waren, ehe es über der Frage der Politik des »Passiven Widerstands« gegen die französisch-belgische Ruhrbesetzung zum Bruch kam. Hitlers beiläufige Namensnennung zeugt einmal mehr von seiner Verachtung für Konkurrenten aus dem völkischen Lager im Allgemeinen sowie für »Professoren« im Speziellen. Der Name Bauers war seit der 1930 erschienenen Volksausgabe aus Mein Kampf gestrichen und durch »ein bekannter Professor in Bayern« ersetzt. Dabei hatte Bauer noch Ende Mai 1927 im Bayerischen Landtag kommunistische Übergriffe auf »ruhig des Wegs gehende Nationalsozialisten« angeprangert und auch später aus seinen Sympathien für die NSDAP keinen Hehl gemacht.

Vgl. Verhandlungen des Bayerischen Landtags, IV. Tagung 1926/27, Bd. 6, Zitat S. 657; Hitler, Kampf (1930), S. 398. Kap. II/15, Anm. 47, 105.

180 Hermann Bauer hatte von der DNVP immer wieder gefordert, ihre totale Verweigerungshaltung gegenüber dem bestehenden Staat aufzugeben und sich auf Reichsebene an Regierungskoalitionen zu beteiligen. Bei einer Kundgebung in Berlin gab er am 22. 8. 1923 die unfreiwillig komische Parole aus: »Wir werden der Neuberliner Richtung nicht den Gefallen tun, uns egoistisch abzukapseln, wir werden nicht rufen: ›Los von Berlin!‹ sondern vielmehr: ›Auf nach Berlin!‹ Wir werden da sein und wach sein, gestärkt durch den Sauerstoff unserer freien weiß-blauen Berge, und gegen die verderblichen Berliner Gasdämpfe werden wir mit schwarz-weiß-roten Gasmasken ausgerüstet sein.« Vor dem Hitler-Prozess versuchte Bauer auf Hitler einzuwirken und ihn dazu zu bringen, Gustav Ritter von Kahr zu entlasten. Während des Prozesses distanzierte sich Bauer als Zeuge von der Behauptung, die Losung von einem »Marsch nach Berlin« sei militärisch gemeint gewesen; vielmehr sei es dabei lediglich um das Vordringen des »deutschen Gedankens« gegangen.

Vgl. BayHStA, NL Buttmann, 83: Tagebucheintrag Rudolf Buttmanns vom 24. 11. 1925; Der Hitler-Prozess 1924, Teil 3, S. 1073 – 1088; Geßler, Reichswehrpolitik, Zitat S. 255; Kiiskinen, Volkspartei, S. 287 mit Anm. 152.

185 Die Namensänderung der DAP in NSDAP war intern umstritten. Noch am 25. 9. 1919 wies Anton Drexler die Empfehlung des österreichischen Nationalsozialisten Walter Riehl zurück, die DAP »nationalsozialistisch« zu nennen, obgleich er selbst den Begriff schon in seiner Schrift Mein politisches Erwachen (1919) verwendet hatte. Für Deutschland, so Drexler, passe der Begriff nicht. Nach dem Ausscheiden Karl Harrers aus der DAP am 5. 1. 1920 setzte sich Hitlers befürwortende Position offenbar zusehends durch. Drexler will an diesem Tag die Namensänderung selbst beantragt haben, was jedoch unwahrscheinlich ist, da sie sich erst seit April 1920 einbürgerte. Ein exaktes Datum für die Namensänderung lässt sich nicht festmachen; auch die »Gründungsversammlung« vom 24. 2. 1920 wurde noch unter dem Namen DAP abgehalten. Nach vorangegangenen Kontroversen begründete Hitler auf einer nationalsozialistischen Vertretertagung in Salzburg am 7. 8. 1920 nochmals die Namensänderung: Das Wort »national« sei bewusst als Gegenpol zu »international« gewählt worden. »Deutsch« sei nicht in Frage gekommen, da mit dem Begriff politisch viel »Schindluder getrieben« worden sei, etwa seitens der DVP. Hitler rechtfertigte auch den kaum umstrittenen Begriff »Arbeiter«: Schon Friedrich der Große habe sich als »erste[r] Beamte[r] und Diener des Staates« verstanden, als sein »erste[r] Arbeiter«; jeder »Volksgenosse« könne daher »stolz darauf« sein, »sich Arbeiter nennen zu dürfen«.

Völlig neu war der Begriff »nationalsozialistisch« damals nicht. Die 1904 gegründete, österreichische Deutsche Arbeiterpartei verwendete ihn seit 1908, ehe sie im August 1918 ihren Namen in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei änderte. Die Frage nach passender Namensgebung wurde nach dem Ersten Weltkrieg in rechten Gruppierungen kontrovers diskutiert; Begrifflichkeiten wie »völkisch«, »national«, »sozial« oder »sozialistisch« standen damals permanent in der Debatte. Insbesondere bei Überlegungen zu möglichen Vereinigungen verschiedener Organisationen wurden solche Fragen akut. Am wenigsten umstritten war noch der Begriff »Partei« – als Gegensatz zu den althergebrachten »Gemeinschaften«, »Gesellschaften« oder »Bünden«. Die NSDAP erhob dabei erst langsam den Anspruch, eine selbstständige Bewegung zu sein. Wenn die Landsberger Gefängnisdirektion in ihrem Abschlussbericht darauf hinwies, Hitler habe »seitdem er hier ist, die nationalsozialistische und völkische Bewegung als Parteigebilde abgelehnt«, dann wird auch hier deutlich, wie sich Hitlers Einstellung damals in dieser Frage neu ausrichtete. Der Untertitel des zweiten Bands von Mein Kampf, »Die nationalsozialistische Bewegung«, verweist ebenfalls auf diesen Wandel.

Vgl. IfZ-Archiv, MA 734: Tagungsbericht der DsP vom 2. 8. 1920; StA München, StAnW 14344: Bericht der Gefängnisdirektion vom 13. 11. 1924; Deutsche Arbeiter-Presse (Wien) vom 6. 12. 1919, »Arbeiter- und Volkspartei«; vom 24. 12. 1919, »Verhandlungsschrift über die gemeinsamen Beratungen der Nationalsozialisten Großdeutschlands«; Deutscher Sozialist vom 16. 7. 1920, »Der Vertretertag aller völkischen Sozialisten des deutschen Sprachgebietes in Salzburg u. die Frage des Parteicharakters«; vom 16. 7. 1920, »Völkisch und national«; Reichswart vom 17. 1. 1925, »Arbeiterpartei?«; VB vom 13. 6. 1934 (Süddeutsche Ausgabe), »Pg. Anton Drexler 50 Jahre alt«; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 129, Zitat S. 175; Drexler, Erwachen, S. 1; Volz, Daten (1939), S. 19; Whiteside, Sozialismus S. 334 – 349; Brandstötter, Riehl; Tyrell, Trommler, S. 95; Kittel, Fundamentalismus, S. 858 – 860; Joachimsthaler, Weg, S. 270; Puschner, Bewegung, S. 270 – 273; Kershaw, Hitler, Bd. 1, S. 804, Anm. 58; Ohnezeit, Opposition, S. 38 – 40; Anm. 195 in diesem Kapitel.

da diese es nicht verträgt, dem einzelnen die Bestimmung seines Glaubens und Wollens selbst zu überlassen.

Es ist denn# 1926: gestrichen: denn auch schandbar, was# 1930: was ersetzt durch: wer;
1944: was sich heute alles mit dem Wort »völkisch« auf der Kappe herumtreibt. Und jeder dieser Leute hat seine eigene Auffassung über diesen Begriff# 1930: herumtreibt. Und jeder dieser Leute hat seine eigene Auffassung über diesen Begriff ersetzt durch: herumtreibt, wieviel Leute ihre eigene Auffassung über diesen Begriff haben . Ein bayerischer# 1930: bayerischer ersetzt durch: bekannter Professor namens Bauer# 1930: namens Bauer ersetzt durch: in Bayern 179, ein berühmter Kämpfer mit geistigen Waffen und reich an ebenso geistigen Marschleistungen nach Berlin180, sieht# 1930: sieht ersetzt durch: setzt den Begriff völkisch# 1937: völkisch ersetzt durch: »völkisch« nur gegeben in einer monarchischen Einstellung# 1930: nur gegeben in einer monarchischen Einstellung ersetzt durch: monarchischer Einstellung gleich . Das gelahrte Haupt hat freilich bisher vergessen, die Identität unserer deutschen Monarchien# 1939: Monarchien ersetzt durch: Monarchie;
1944: Monarchien der Vergangenheit mit einer völkischen Auffassung von heute näher zu erklären. Ich fürchte auch, daß dies dem Herrn schwer gelingen würde. Denn etwas Unvölkischeres als die meisten deutschen monarchischen Staatsgebilde kann man sich gar nicht vorstellen.181 Wäre dem nicht so, wären sie# 1930: Wäre dem nicht so, wären sie ersetzt durch: Wäre es anders, sie wären nie verschwunden, oder# 1930: eingefügt: aber ihr Verschwinden böte den Beweis für die Unrichtigkeit der völkischen Anschauung# 1930: Anschauung ersetzt durch: Weltanschauung .

So schwätzt jeder in diesem Begriff herum# 1930: So schwätzt jeder in diesem Begriff herum ersetzt durch: So legt jeder diesen Begriff aus , wie er es eben versteht.182 Als Grundlage# 1930: eingefügt: aber für eine politische Kampfbewegung kann aber ein derartiges Meinungsgedusel# 1930: aber ein derartiges Meinungsgedusel ersetzt durch: eine solche Vielfältigkeit der Meinungen nicht in Frage kommen.

Von der Weltfremdheit und besonders der Unkenntnis der Volksseele dieser völkischen Johannesse183 des zwanzigsten Jahrhunderts will ich dabei ganz absehen.

Sie wird genügend illustriert durch die Lächerlichkeit, mit der sie von links behandelt werden# 1939: werden ersetzt durch: wird;
1944: werden . Man läßt sie schwätzen und lacht sie aus.

Wer es aber auf dieser Welt nicht fertig bringt# 1933: fertig bringt ersetzt durch: fertigbringt , von seinen Gegnern gehaßt zu werden, scheint mir als Freund nicht viel wert zu sein. Und so war denn# 1926: gestrichen: denn auch die Freundschaft dieser Menschen für unsere junge Bewegung nicht nur wertlos, sondern immer noch# 1926: noch ersetzt durch: nur schädlich. Dies# 1926: schädlich. Dies ersetzt durch: schädlich. Das;
1930: schädlich, und es war auch der Hauptgrund, warum wir erstens den Namen »Partei« wählten.184 Wir durften hoffen, daß dadurch allein schon ein ganzer Schwarm dieser völkischen Schlafwandler von uns zurückgescheucht würde. Und zweitens uns# 1930: würde. Und zweitens uns ersetzt durch: würde –,
und warum wir uns zweitens als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei bezeichneten.185