Der Selbsterhaltungstrieb des Judentums <span class="pagenumber">[319]</span>

89 Der angeblich fehlende jüdische Altruismus war ein verbreiteter antisemitischer Vorwurf. Schon 1819 schrieb Hartwig von Hundt-Radowsky in seinem Judenspiegel: »Von jeher haben sich die Juden nicht durch Muth, aber durch Feigheit in ihren Kriegen ausgezeichnet.« 1855 erklärte Ernest Renan: »Die militärische Unterlegenheit der Semiten rührt aus ihrer völligen Unfähigkeit zur Disziplin und Unterordnung.« Ottomar Beta behauptete 1875: »So opfert der sesshafte Germane im deutschen Reich einen grossen Theil seines Lebens, gern und willig, gerade in der Zeit, wo es ihm nahe liegt, sein Haus und Gewerbe zu gründen, dem Staat als Soldat, während der Jude meist ungestört seine sociale Stellung erobert, da er zum tüchtigen Soldaten nicht tauglich ist.« Und in Wilhelm Marrs Aufsatz Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum (1879) heißt es, die Juden würden jede Form des Idealismus aus der Gesellschaft drängen. Außerdem unterstellten Antisemiten den Juden, sie seien für den Kriegsdienst entweder zu feige oder körperlich untauglich. Wie sehr dies an der Realität vorbeiging, zeigt die Tatsache, dass Juden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Regel vom Dienst in den Fürsten- und Söldnerheeren ausgeschlossen waren. Als sie zugelassen wurden, zeigte sich ihr großer Enthusiasmus, der mit der Hoffnung verbunden war, dadurch die völlige Gleichstellung in der bürgerlichen Gesellschaft zu erreichen. Sowohl an den Befreiungskriegen 1813 – 1815 als auch an den deutschen Einigungskriegen 1864 – 1871 beteiligten sich überdurchschnittlich viele jüdische Soldaten – allein während der Befreiungskriege wurden 71 preußische Juden mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Der Vorwurf, Juden seien körperlich nicht für den Militärdienst geeignet, traf ebenfalls nicht zu. Zwar lag die Tauglichkeitsrate nach preußischen Berichten aus dem Jahr 1845 tatsächlich deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung; dies hatte jedoch vor allem soziale Gründe, etwa die größere Armut unter den Juden. Eine Denkschrift des preußischen Innenministeriums von 1845 hielt indes fest, »daß die Juden des preußischen Heeres von den Soldaten der christlichen Bevölkerung im allgemeinen nicht erkennbar unterschieden sind, daß sie im Kriege gleich den übrigen Preußen sich bewährt, im Frieden den übrigen Truppen nicht nachgestanden« hätten. Auch im Ersten Weltkrieg dienten und fielen im deutschen Heer – gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung – etwa gleich viele jüdische wie nichtjüdische Soldaten.

Vgl. Hundt-Radowsky, Judenspiegel, S. 133 – 137, Zitat S. 133; Renan, Histoire, Zitat S. 14; Beta, Darwin, Zitat S. 22; Marr, Sieg, S. 21, 31; Fischer, Judentum, S. 50, 131 – 133, Zitat S. 133; Krüger, Brüder, S. 55; Elon, Zeit, S. 113; Henschel, Einführung, S. 96; Kap. I/7, Anm. 38.

90 Diese Passage bedient zwei zentrale antisemitische Topoi: zum einen den Vorwurf eines spezifisch jüdischen Egoismus, zum anderen die Gleichsetzung der Juden mit Schädlingen. Der erste Vorwurf fand sich nicht nur in rechtsradikalen Schriften. So hatte schon Karl Marx in seinem Aufsatz Zur Judenfrage (1844) das »praktische Bedürfnis« und den »Eigennutz« zum »weltliche[n] Grund des Judentums« erklärt. Und der zionistische Mediziner und Schriftsteller Felix Aaron Theilhaber betonte 1911 den »Egoismus des jüdischen Individuums«, der »einerseits durch den Mangel eines idealen Gedankens« geschürt werde, »andererseits durch den immer stärker werdenden Existenzkampf und den wachsenden Kapitalismus«.

In ihrer Diktion erinnern Hitlers Aussagen stark an Wilhelm Marr, der die Juden in seinen Schriften immer wieder als Ratten bezeichnet und auch behauptet hatte: »Man sagt zwar, die Juden hielten unter sich zusammen, aber dies Zusammenhalten ist mehr eine Absonderung mittels ihrer heimtückischen Gesinnung, die Gleiche zu Gleichen gesellt und nicht verhindert, daß sie sich unter einander betrügen.« Marr schrieb ähnlich wie Hitler: »Ist die vermeintliche Nothwendigkeit der Cotterie [Coterie = Clique] beseitigt, dann geht sie auseinander und die innere Zerfahrenheit tritt wieder in den Vordergrund. Wie sonst kokettiren sie einzeln noch mit allem Fremdartigen, und wie sonst ballen sie sich zusammen, sobald sie ihr exceptionelles Judenthum bedroht wähnen.« Dabei übersah das Gros der Antisemiten jedoch den Widerspruch zwischen dem angeblichen individuellen Egoismus der Juden und dem ihnen als Kollektiv nachgesagten, kooperativen Streben nach Weltherrschaft. »Durch rein egoistische Interessenberechnung gründet man nicht eine Nation, welche die Zerstreuung überlebt; es ist ein Urteilsfehler, das zu glauben«, so schon Houston Stewart Chamberlain. Hans F. K. Günther lobte immer wieder die »Rassentreue« und das »Rassenbewusstsein« der Juden, das sie letztlich zum Erfolg führen werde: »Es ist ohne Beispiel im Völkerleben der Erde, wie in seinem einstigen politisch-religiösen Heimatszentrum ein vollständig entwurzelter Volksstamm, dem die großen führenden Mächte Europas vom Altertum bis zur Neuzeit […] äußerlich und innerlich als unversöhnliche Gegner gegenüberstehen, obwohl in allen Richtungen der Windrose zerstreut, seinem angestammten, religiös versteinerten Volkstum zäh und unbeugsam treu bleibt […].«

Vgl. Marx/ Engels, Werke, Bd. 1, Zitat S. 372 (Herv. i. Orig.); Marr, Judenspiegel, Zitat S. 39 (Herv. i. Orig.); Marr, Ratten, S. 7, 10, 17 – 20; Religion und Race im Judencharakter, Zitat S. 330; Chamberlain, Grundlagen, Bd. 1, Zitat S. 537; Theilhaber, Untergang, Zitat S. 152; Günther, Ritter (1920), S. 136 – 139; Günther, Rassenkunde (1923), S. 491 (Zitat), 496; Reuth, Judenhass, S. 154 – 157, 236; Bergmann, Der Nordische Gedanke, S. 77; Kap. I/2, Anm. 219.

Denn wenn auch der Selbsterhaltungstrieb des jüdischen Volkes nicht kleiner, sondern eher noch größer ist als bei anderen Völkern# 1930: bei anderen Völkern ersetzt durch: der anderer Völker , wenn auch seine geistigen Fähigkeiten sehr leicht den Eindruck zu erwecken vermögen, daß es# 1926: es ersetzt durch: sie der intellektuellen Veranlagung der übrigen Rassen ebenbürtig wäre# 1926: wäre ersetzt durch: wären , so fehlt doch vollständig die allerwesentlichste Voraussetzung für ein Kulturvolk# 1937: Kulturvolk ersetzt durch: Kulturwerk;
1939: Kulturvolk , die idealistische Gesinnung.

Der Aufopferungswille im jüdischen Volke geht über den nackten Selbsterhaltungstrieb des einzelnen nicht hinaus.89 Das scheinbar große Zusammengehörigkeitsgefühl ist in einem sehr primitiven Herdeninstinkt begründet, wie er sich ähnlich bei vielen anderen Lebewesen auf dieser Welt auch# 1926: gestrichen: auch zeigt. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, daß in allen diesen Fällen ein gemeinsamer# 1930: gestrichen: in allen diesen Fällen ein gemeinsamer Herdentrieb# 1930: eingefügt: stets nur solange# 1926: solange ersetzt durch: so lange zu gegenseitiger Unterstützung führt, als eine gemeinsame Gefahr dies zweckmäßig oder unvermeidlich erscheinen läßt. Das gleiche Rudel Wölfe, das soeben noch gemeinsam seinen Raub überfällt, löst sich bei nachlassendem Hunger wieder in seine einzelnen Tiere auf. Das gleiche gilt von den Pferden, die sich des Angreifers geschlossen zu erwehren suchen, um nach überstandener Gefahr wieder auseinanderzustieben.

Ähnlich verhält es sich auch# 1944: gestrichen: auch bei den# 1926: bei den ersetzt durch: beim Juden. Sein Aufopferungssinn ist nur ein scheinbarer. Er besteht nur so lange, als die Existenz jedes einzelnen dies unbedingt erforderlich macht. Wie# 1926: Wie ersetzt durch: Sobald jedoch der gemeinsame Feind besiegt, die allen drohende Gefahr beseitigt, der Raub geborgen ist, hört die scheinbare Harmonie der Juden untereinander auf, um den ursächlich vorhandenen Anlagen wieder Platz zu geben. Der Jude bleibt# 1930: bleibt ersetzt durch: ist nur einig, wenn eine gemeinsame Gefahr ihn dazu zwingt oder eine gemeinsame Beute lockt; fallen beide Gründe weg, so treten die Eigenschaften eines grassesten# 1926: grassesten ersetzt durch: krassesten Egoismus in ihre Rechte, und aus dem einigen Volk wird im Handumdrehen eine sich blutig bekämpfende Rotte von Ratten.90

Wären die Juden auf dieser Welt allein, so würden sie ebensosehr in Schmutz und Unrat ersticken91 wie in haßerfülltem Kampfe, sich gegenseitig zu übervorteilen und auszurotten versuchen, soferne# 1937: soferne ersetzt durch: sofern