Die Fähigkeit zum Baumeister <span class="pagenumber">[18]</span>

13 Die Ablehnung durch die Akademie war nicht der erste Misserfolg Hitlers. Dennoch traf ihn diese Abweisung – die ja sein schulisches Scheitern kompensieren sollte – besonders hart. Verschärft wurde diese Krise durch den Tod seiner Mutter am 21. 12. 1907; lange Jahre war sie seine wichtigste Bezugsperson gewesen, hatte an seine Begabung geglaubt und ihm finanziellen wie emotionalen Rückhalt geboten. Ein längerfristiger Besuch einer privaten Kunstschule, wie es andere abgelehnte Maler machten, lag jenseits von Hitlers finanziellen Möglichkeiten. Seine abermalige Ablehnung an der Akademie hatte im Herbst 1908 einen völligen sozialen Rückzug Hitlers zur Folge. Zu seiner Verwandtschaft brach er damals jeden Kontakt ab, ebenso die Verbindung zu seinem bis dahin engsten Freund, August Kubizek.

Vgl. Hamann, Wien, bes.S. 195 – 197; Kershaw, Hitler, Bd. 1, S. 58; Beyme, Zeitalter, S. 55 – 57; Ullrich, Hitler, Bd. 1, S. 51; Kap. I/1, Anm. 38, 77, 78.

14 Die Baukunst blieb Hitlers Leidenschaft – nicht nur in seiner Wiener und Münchner Zeit, sondern auch während seiner Haft in Landsberg. Mit seinem Mitgefangenen Rudolf Heß diskutierte er über Architekturentwürfe und fertigte dort selbst Skizzen an. Auch ließ er sich von Ilse Pröhl, der späteren Ehefrau von Heß, eine »4-bändige Architekturgeschichte in den blauen Einbänden« aus seiner Münchner Wohnung nach Landsberg bringen; es handelte sich dabei vermutlich um die damals weitverbreitete, dunkelblau gebundene Geschichte der Baukunst vom Altertum bis zur Neuzeit des deutsch-jüdischen Kunsthistorikers David (genannt Dagobert) Joseph. Noch während des Zweiten Weltkriegs sollte Hitler immer wieder auf seinen Wunsch zurückkommen, Architekt zu werden. So äußerte er am 21. 10. 1941 gegenüber Heinrich Himmler: »Ich will Baumeister sein. Feldherr bin ich wider Willen.« Verschiedene Mitarbeiter Hitlers, etwa der Architekt Hermann Giesler und der Reichspressechef Otto Dietrich, haben berichtet, wie Hitler in der letzten Kriegsphase, angesichts der zunehmend aussichtslosen strategischen Lage, fast nur noch bei Gesprächen über Architektur und städtebauliche Planungen Entspannung fand.

Vgl. Hitler, Monologe, S. 101 (Zitat), 234; Heß, Briefe, S. 326 – 330, Zitat S. 335; Dietrich, Jahre, S. 174; Giesler, Hitler, S. 430 – 432, 455 – 457, 460, 476, 478 – 480; Klemmer, Baumeister, S. 253; Kap. I/3, Anm. 273.

17 Seine Ablehnung durch die Akademie stilisierte Hitler später entsprechend dem Geniekult des 19. Jahrhunderts: akademischer Misserfolg als Beweis des verkannten Genies. Künstlerischer Erfolg, so behauptete Hitler, sei in Österreich nur durch Empfehlungen möglich gewesen; diesem System aber habe er sich verweigert. Dabei habe er ein Empfehlungsschreiben an den berühmten Opernbühnenbildner Alfred Roller gehabt, der ihn auch sicher sofort angenommen hätte. Doch sei er zu schüchtern gewesen, um an Roller heranzutreten. Tatsächlich hatte die Eigentümerin des Linzer Hauses, in dem Hitlers Familie wohnte, über eine Wiener Freundin eine Empfehlung an Roller geschickt. Dieser antwortete am 6. 2. 1908: »Der junge Hitler soll nur kommen und soll Arbeiten mitbringen, damit ich sehe, wie es mit ihm steht. Ich will ihm nach bestem Wissen und Gewissen raten so gut ichs eben verstehe.« Vermutlich aus Angst vor einer Zurückweisung machte Hitler von diesem Angebot allerdings keinen Gebrauch und blieb – in den Worten Thomas Manns – ein »abgewiesener Viertelkünstler«.

Vgl. Hitler, Monologe, S. 200; Mann, Schriften, Zitat S. 137; Hamann, Wien, S. 59 – 62, 87, Zitat S. 60; Schmidt, Geschichte, Bd. 2, S. 194 – 196, 207 – 212; Beyme, Zeitalter, S. 57 – 61; Hellwig, Vita; Schwarz, Geniewahn, bes.S. 11 f., 53 – 65.

überzeugt, daß die mir verkündete Ablehnung mich wie ein jäher Schlag aus heiterem Himmel traf.10 Und doch war es so. Als ich mich dem Rektor11 vorstellen ließ und die Bitte um Erklärung der Gründe wegen meiner Nichtaufnahme in die allgemeine Malerschule der Akademie vorbrachte, versicherte mir der Herr, daß aus meinen mitgebrachten Zeichnungen einwandfrei meine Nichteignung zum Maler hervorgehe, sondern# 1944: sondern ersetzt durch: da meine Fähigkeit doch ersichtlich auf dem Gebiete der Architektur liege; für mich käme niemals die Malerschule, sondern nur die Architekturschule der Akademie in Frage. Daß ich bisher weder eine Bauschule# 1930: eingefügt: besucht noch sonst einen Unterricht in Architektur erhalten hatte, konnte man zunächst gar nicht verstehen.

Geschlagen verließ ich den Hansenschen Prachtbau am Schillerplatz12, zum ersten Male in meinem jungen Leben uneins mit mir selber.13 Denn was ich über meine Fähigkeit gehört hatte, schien mir nun auf einmal wie ein greller Blitz einen Zwiespalt aufzudecken, unter dem ich schon längst gelitten hatte, ohne bisher mir eine klare Rechenschaft über das Warum und Weshalb selber# 1930: gestrichen: selber geben zu können.

In wenigen Tagen wußte ich nun auch selber, daß ich einst Baumeister werden würde.14

Freilich war der Weg unerhört schwer, denn was ich bisher aus Trotz in der Realschule versäumt hatte, sollte sich nun bitter rächen. Der Besuch der Architekturschule der Akademie war abhängig vom Besuch der Bauschule der Technik15, und den Eintritt in diese bedingte eine vorher abgelegte Matura16 an einer Mittelschule. Dieses alles fehlte mir vollständig. Nach menschlichem Ermessen also war eine Erfüllung meines Künstlertraumes nicht mehr möglich.17

Als ich nun nach dem Tode der Mutter zum dritten Male nach Wien und dieses Mal für viele Jahre zog18, war [sic!] bei mir mit der unterdessen verstrichenen Zeit Ruhe und Entschlossenheit zurückgekehrt. Der frühere Trotz war wieder gekommen, und mein Ziel endgültig ins Auge gefaßt. Ich wollte Baumeister werden, und Widerstände sind nicht da, daß man vor ihnen kapituliert, sondern daß man sie bricht. Und brechen wollte ich diese Widerstände, immer das Bild des Vaters vor Augen, der sich einst vom armen Dorf- und Schusterjungen zum Staatsbeamten emporgeschlagen# 1930: emporgeschlagen ersetzt durch: emporgerungen [sic!] hatte.19 Da war mein