Einleitung
Wenn überhaupt, so ist Mein Kampf heutzutage vor allem durch zwei Ausgaben bekannt: durch die kleinformatige einbändige »Volksausgabe« in blauem Ganzgewebeband, wie sie seit 1930 erschien, oder durch die »Hochzeitsausgabe« mit Halbledereinband, die seit 1936 auf Grundlage der »Volksausgabe« hergestellt wurde. Diese beiden Ausgaben werden in Antiquariaten und auf Flohmärkten relativ häufig angeboten. Dagegen ist die Erstausgabe von Mein Kampf, die dieser Edition als Textgrundlage dient, fast nur noch in Bibliotheken zu finden. 412 Da nicht mehr als 23 Manuskript- und Konzeptblätter aus Hitlers Hand erhalten sind413, ist diese gedruckte Erstausgabe von Mein Kampf die älteste Überlieferung des gesamten Textkorpus von Hitlers Bekenntnisschrift. Sie gibt Hitlers Sprache und Schreibstil am authentischsten wieder; bereits die zweite Auflage wurde stilistisch überarbeitet. Aufgrund des fehlenden Manuskripts ist keine historisch-kritische Edition von Mein Kampf möglich. Die splitterhaft erhalten gebliebenen Manuskriptseiten und die Schlussfolgerungen, die sich daraus ableiten lassen, werden allerdings in dieser Edition in den Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln, teilweise auch in der Kommentierung, berücksichtigt.
Der erste Band der zweibändigen Originalausgabe von Mein Kampf erschien am 18. Juli 1925. Der Band trägt den Untertitel »Eine Abrechnung«. Er enthält neben den 392 Textseiten ein Vorwort des Verfassers sowie eine Widmung, in der die beim Hitler-Putsch getöteten »Blutzeugen« der Bewegung aufgeführt sind. Die Anzahl der »Gefallenen« hatte Hitler dabei nicht einmal überprüft; am Ende des zweiten Bands von Mein Kampf spricht er von »achtzehn Helden«, denen er den ersten Band seines Werks »geweiht«414 habe, während die Widmung 16 Personen verzeichnet – ein Widerspruch, der erst 1934 aufgelöst wurde. 415 Auch das ist ein Beispiel dafür, wie sorglos und nachlässig Hitler mit Fakten umging, selbst wenn diese sein unmittelbares Umfeld betrafen.
Das Inhaltsverzeichnis des ersten Bands von Mein Kampf ist relativ lang und recht unprofessionell gestaltet: Es umfasst ganze acht Seiten und enthält neben den Kapitelüberschriften auch die Kolumnentitel der einzelnen Seiten. Im Gegensatz zu Auflagen aus den 1930er Jahren fehlt in der Erstausgabe noch ein »Personen- und Sachverzeichnis«.
Anders als die bekannten kleinen »Volks-« und »Hochzeitsausgaben«, die im Oktavformat hergestellt wurden, präsentiert sich die Erstausgabe im Format Groß-Oktav. Die Seiten enthalten je 35 Textzeilen, produktionsbedingt fällt die Höhe und Breite in der Erstauflage des ersten Bands allerdings etwas größer aus als in jener des zweiten Bands. Die Kopfzeile enthält die Seitenzahl und den Kolumnentitel.
Die Erstauflage von Mein Kampf ist in Unger-Fraktur gedruckt – einer Frakturschrift, die es seit Ende des 18. Jahrhunderts gibt. Auch die folgenden Auflagen von Mein Kampf wurden in dieser Frakturschrift gedruckt, die bis heute – historisch nicht korrekt – immer wieder als eine typisch nationalsozialistische Schriftart gilt. Seit 1939 folgte dann die schrittweise Umstellung auf die besser lesbare und »modernere« Antiqua-Schrift. Hervorhebungen werden im Text der Erstauflage durch Sperrungen angezeigt, in wenigen Ausnahmen auch durch Fettdruck. Die damals allgemein üblichen Sperrungen bei Hervorhebungen wurden bis zur letzten bekannten Auflage von Mein Kampf beibehalten. Allerdings gab es Ausnahmen: 1943 druckte die Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart »Volksausgaben« von Mein Kampf, in denen alle Hervorhebungen kursiv gesetzt sind.
Die Aufmachung des ersten Bands der Erstausgabe von Mein Kampf entspricht noch nicht dem Stellenwert, den die »NS-Bibel« im Dritten Reich später haben sollte. Am 18. Juli 1925 erschien der erste Band von Mein Kampf in einem mit rotem Papier überzogenen Halbgewebeband mit rotem Kopfschnitt. Der Rücken und die Ecken sind mit einem hellen, appretierten Gewebe verstärkt. Die Angaben zu Autor, Titel und Verlag sind mit weißer Farbe auf den Vorderdeckel geprägt. Der Rückentitel ist in roter Farbe auf das helle Gewebe geprägt. Mitgeliefert wurde ein schwarz-weiß-roter Schutzumschlag mit einem recht archaisch wirkenden Motiv: eine Hakenkreuzfahne, um deren Stange sich Schlangen- und Drachenköpfe winden. 416 Sind Erstausgaben von Mein Kampf heute recht selten, so gilt das noch mehr für die frühen Schutzumschläge. Weiterhin enthält der erste Band der Erstausgabe bereits das – auch in allen späteren Ausgaben vorhandene – Porträt-Frontispiz von Hitler. In den ersten Auflagen handelt es sich um eine Profilansicht, die Hitler im Anzug zeigt. Für spätere Ausgaben wurde meist ein frontales Porträt benutzt, auf dem Hitler das Braunhemd der SA trägt. Außerdem wurde am Ende des ersten Bands von Mein Kampf ein faksimilierter Plakat-Anhang in Schwarz-Weiß angefügt, der in verkleinerter Form 27 Plakate mit Ankündigungen von NSDAP-Veranstaltungen aus der Zeit von 1920 bis 1923 abbildet. Zwei Seiten mit Werbeanzeigen sowie eine Ankündigung, dass ein zweiter Band folge, beschließen den ersten Band.
Der zweite Band von Mein Kampf erschien als Erstausgabe am 10. Dezember 1926, wurde aber im Impressum auf 1927 datiert. Sein Untertitel lautete »Die nationalsozialistische Bewegung«. Auch dieser Band enthält ein langes Inhaltsverzeichnis mit sämtlichen Kolumnentiteln. Der Textteil umfasst 354 Seiten, als Anhang finden sich lediglich zwei Seiten mit Werbeanzeigen des Eher-Verlags. Im Gegensatz zum ersten Band hat Band II einen rot bezogenen Ganzgewebeband mit rotem Kopfschnitt und weißer Titelprägung auf Vorderdeckel und Rücken.
Mein Kampf war zunächst ein teures Buch. Beide Bände kosteten jeweils stattliche zwölf Reichsmark und wurden in einer Auflage von je 10.000 Exemplaren gedruckt. Die Erstauflage des ersten Bands verkaufte sich innerhalb weniger Monate, sodass bereits im Dezember 1925 eine zweite Auflage in den Satz ging. 417 Dagegen war die Nachfrage nach dem zweiten Band deutlich geringer. Erst 1929 erschien davon eine zweite Auflage. In der Zwischenzeit war von Band I bereits die dritte Auflage erschienen.
Mittlerweile ist aus Mein Kampf ein Sammlerobjekt geworden; das gilt nicht zuletzt für die seltenen Erstausgaben. Bei einer Versteigerung durch das Münchner Auktionshaus Hermann Historica im Mai 2014 wurde eine gut erhaltene zweibändige Erstausgabe von Mein Kampf zu einem Schätzpreis von 760 Euro angeboten und wechselte dann für 860 Euro den Besitzer. 418 Für Ausgaben, die von Hitler signiert wurden, zahlen Sammler mitunter sogar hohe fünfstellige Beträge: So verkaufte das britische Auktionshaus Dreweatts & Bloomsbury im Juni 2005 einen signierten ersten Band der Erstauflage für 20.000 Pfund. 2014 versteigerte das Auktionshaus Nate D. Sanders in Los Angeles zwei signierte Exemplare der ersten und zweiten Auflage von Mein Kampf gar für 64.850 Dollar. Auch angesichts solcher Meldungen ist es sinnvoll, wenn die vorliegende Edition wieder das in den Vordergrund rückt, worum es bei Mein Kampf in Wirklichkeit geht – dessen Inhalt und seine Folgen.