Die Früchte tausendjähriger deutscher Politik <span class="pagenumber">[308]</span>

32 Gemeint ist die Besiedlung der bayerischen Ostmark, aus der später Österreich hervorging. Karl der Große war nach seinen Siegen über das asiatische Reitervolk der Awaren am Ende des 8. Jahrhunderts bis an die Raab vorgestoßen und hatte dort zum Schutz Bayerns und Friauls die Ostmark und Karantanien (Kärnten) zu Marken (Grenzgebieten) erklärt. Der ostfränkische König Ludwig I. der Fromme erweiterte die Grenzmarken im Kampf gegen Slowenen und Bulgaren und begann mit ihrer Kolonisation. Unter Ludwig II. dem Deutschen wurde diese intensiviert. Die Siedler kamen teils aus den österreichischen Alpen, teils aus Bayern. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts stagnierte die Kolonisation der Ostmark zeitweilig durch das Vordringen der Ungarn, wurde jedoch nach den Siegen des römisch-deutschen Kaisers Otto I. in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts fortgeführt und erreichte zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt.

Vgl. Higounet, Ostsiedlung, S. 33 – 37, 146 – 159.

33 Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts führte Karl der Große mehrere Feldzüge gegen die östlich der Elbe ansässigen slawischen Stämme – nicht zum Erwerb neuer Siedlungsgebiete, sondern zur Sicherung der Ostgrenze des Fränkischen Reichs. Kaiser Otto I. errichtete 965 östlich der Elbe, vor allem auf dem Gebiet des heutigen Brandenburg und Sachsen, mehrere Grenzmarken und Bistümer. Diese Gebietserweiterungen waren jedoch nur von kurzer Dauer. Am Ende des 10. und zu Beginn des 11. Jahrhunderts eroberten aufständische slawische Stämme große Teile der Gebiete östlich der Elbe zurück und zerstörten die Bischofssitze Brandenburg, Havelberg, Mecklenburg und Oldenburg. Erst im 12. Jahrhundert konnte das Land östlich der Elbe endgültig von den Deutschen erobert und besiedelt werden. So errichtete Markgraf Albrecht I. aus dem Geschlecht der Askanier 1157 in Brandenburg die gleichnamige Mark. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts wurde das Gebiet zwischen Elbe und Oder von deutschen Siedlern kolonisiert.

Vgl. Higounet, Ostsiedlung, S. 32 – 57, 118 – 134; Rady, Settlement.

34 Der Aufstieg Brandenburg-Preußens zu einer der führenden europäischen Mächte begann nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) unter Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten. Er organisierte eine schlagkräftige Armee, mit deren Hilfe er große militärische Erfolge gegen Polen und Schweden erringen und die Souveränität über das Herzogtum Preußen (Ostpreußen) erlangen konnte, das ab 1701 die Grundlage des Königreichs Preußen bildete. Den Status Preußens als europäische Großmacht erkämpfte Friedrich der Große. In den Schlesischen Kriegen (1740 – 1763) gelang es ihm, die bis dahin zum Habsburgerreich gehörende Provinz Schlesien zu erobern und diese Annexion dauerhaft zu sichern. 1866 konnte Preußen im Deutschen Krieg seine Vormachtstellung gegenüber Österreich endgültig durchsetzen und 1871 ein Deutsches Reich unter seiner Führung gründen.

Vgl. Clark, Preußen, S. 61 ff.; Hirschmüller, Geschichte, S. 201 f. Zu Hitlers Verehrung von Friedrich dem Großen vgl. Anm. 73 in diesem Kapitel.

36 Das alte Preußen war für viele deutsche Konservative, Nationalisten und Völkische ein positiver Bezugspunkt – sowohl bei der Bewertung der Geschichte als auch mit Blick auf die Zukunft Deutschlands. Oswald Spengler etwa forderte eine Vereinigung von »Preußentum« und Sozialismus, denn beide stünden für Gemeinschaftssinn und gegen verderblichen Eigennutz. Der »wertvolle Teil der deutschen Arbeiterschaft«, also jener Teil, der sich von den »Illusionen des Marxismus« befreien werde, solle »mit den besten Trägern des altpreußischen Staatsgefühls« einen streng sozialistischen Staat gründen, getragen von einer »Klasse von sozialistischen Herrennaturen«. Darin liege die Rettung nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Zivilisation. Die Vorstellung, der »preußische Geist« besitze wesentlichen Einfluss in Deutschland, war auch in der angelsächsischen Welt weitverbreitet – allerdings in einem negativen Sinn: Preußen galt hier zumeist als archaisch-reaktionärer Staat mit aggressiv militaristischer Tradition. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Feindbild Preußen von den Westalliierten wieder aufgegriffen. So erklärte der britische Vize-Premierminister Clement Attlee im Sommer 1943, die preußischen Junker seien das »eigentliche aggressive Element« der deutschen Gesellschaft. US-Präsident Franklin D. Roosevelt meinte im Herbst 1943, es genüge nicht, wenn Hitler und die Nationalsozialisten abtreten würden; auch die Riege der preußischen Militärs müsse gehen, sonst könne es keinen dauerhaften Frieden geben. Nach ihrem Sieg lösten die Alliierten den Staat Preußen als »Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland« per Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. 2. 1947 auf.

Vgl. Huber (Hrsg.), Quellen, Bd. 2, S. 648; Spengler, Preußentum, S. 97 – 99, Zitate S. 98 f.; Weisz, Geschichtsauf‌fassung, S. 121 f.; Clark, Preußen, S. 761 – 767.

kann der Mißerfolg nur in der verfehlten Art des Einsatzes liegen.

Wenn wir in diesem Zusammenhang die politischen Erlebnisse unseres Volkes seit über tausend Jahren überprüfen, alle die zahllosen Kriege und Kämpfe vor unseren Augen vorüberziehen lassen und das durch sie geschaffene, heute vor uns liegende Endresultat untersuchen, so werden wir gestehen müssen, daß aus diesem Blutmeer eigentlich nur drei Erscheinungen hervorgegangen sind, die wir als bleibende Früchte klar bestimmter außenpolitischer und überhaupt politischer Vorgänge ansprechen dürfen.

Die hauptsächlich von Bajuwaren betätigte Kolonisation der Ostmark32,
die Erwerbung und Durchdringung des Gebietes östlich der Elbe33 und
die von den Hohenzollern betätigte Organisation des brandenburgisch-preußischen Staates als Vorbild und Kristallisationskern eines neuen Reiches.34

Eine lehrreiche Warnung für die Zukunft!

Jene beiden ersten großen Erfolge unserer Außenpolitik sind die dauerhaftesten geblieben. Ohne sie würde unser Volk heute überhaupt keine Rolle mehr spielen. Sie waren der erste, leider aber auch der einzige gelungene Versuch, die steigende Volkszahl in Einklang zu bringen mit der Größe von#1944: von ersetzt durch: an Grund und Boden.35 Und es muß als wahrhaft verhängnisvoll angesehen werden, daß unsere deutsche Geschichtschreibung#1937: Geschichtschreibung ersetzt durch: Geschichtsschreibung;
1939: Geschichtschreibung [sic!] diese beiden, weitaus gewaltigsten und für die Nachwelt bedeutungsvollsten#1933: bedeutungsvollsten ersetzt durch: bedeutungsvollen;
1937: bedeutungsvollsten Leistungen nie richtig zu würdigen verstand, demgegenüber aber alles mögliche verherrlicht, das phantastische#1929: das phantastische ersetzt durch: phantastisches Heldentum, zahllose abenteuerliche Kämpfe und Kriege bewundernd preist, anstatt endlich zu erkennen, wie bedeutungslos für die große Entwicklungslinie der Nation die meisten dieser Ereignisse gewesen sind.

Der dritte große Erfolg unserer politischen Tätigkeit liegt in der Bildung des preußischen Staates und der durch ihn#1937: ihn ersetzt durch: ihr;
1939: ihn herbeigeführten Züchtung eines besonderen Staatsgedankens36, sowie des der modernen Welt angepaßten, in Organisationsform#1929: Organisationsform ersetzt durch: organisierte Form gebrachten Selbst-