<span class="pagenumber"></span>11. Kapitel Propaganda und Organisation

1 Dass Hitler im Herbst 1919 im siebenköpfigen »Arbeitsausschuss« der DAP zunächst den Bereich »Propaganda« übernahm und dass er sich auch in Mein Kampf intensiv mit entsprechenden Fragen auseinandersetzte, war nicht nur Ausdruck seiner persönlichen Interessen. Am Ende von Hitlers militärischer Dienstzeit stand seine Ausbildung zum politischen Propagandisten durch die sich formierende Reichswehr. Deren Konzept, einzelne, rhetorisch begabte Soldaten »zu Trägern der Aufklärung unter ihren Kameraden« zu machen – so General Walther Freiherr von Lüttwitz am 26. 5. 1919 –, war ein Versuch, adäquat auf die Propaganda ihrer politischen Gegner, insbesondere der linken, zu reagieren. Für Hitler selbst, dem jede berufliche Ausbildung und akademische Bildung fehlte, blieb diese Prägung nicht ohne Folgen. Nach den wenigen Vorlesungen im Rahmen des »Aufklärungskurses« an der Universität München, an dem er vom 5. 6.-12. 6. 1919 teilnahm, hielt sich Hitler ganz offensichtlich für einen Propagandaexperten. Das vorliegende Kapitel lässt sich daher als Bilanz seiner bisherigen Erfahrungen verstehen sowie als Versuch, diese Erfahrungen theoretisch zu verarbeiten.

Vgl. Deuerlein, Eintritt, S. 188; Plöckinger, Hitler, Zitat S. 19; Plöckinger, Soldaten, S. 146 f.; Kap. I/9, Anm. 41.

3 Hitlers Abneigung gegen jede Form einer geregelten Beschäftigung und einer intensiven, straff und pünktlich organisierten Arbeit blieb ein charakterlicher Grundzug. Bereits Mitte der 1920er Jahre, als Partei und Politik ihn noch nicht sehr stark in Anspruch nahmen, war es selbst für seine engsten Mitarbeiter schwierig, zum »Führer« vorzudringen und wichtige Fragen zu klären. Dabei konnten Phasen scheinbaren Müßiggangs, in denen Hitler oft tage- oder auch wochenlang unerreichbar blieb, mit »Perioden einer fieberhaften, sich fast überschlagenden Aktivität« abwechseln. Zu einem für Hitler immer beliebteren Rückzugsort entwickelte sich sein Feriendomizil auf dem Obersalzberg; allein während der Jahre 1933 – 1945 hat Hitler insgesamt »etwas mehr als 3 ½ Jahre« auf dem Obersalzberg verbracht – in einer für ihn bezeichnenden Mischung aus Regierungstätigkeit und persönlichem Müßiggang. Ironisch zugespitzt und doch mit scharfem Blick für die Praxis der nationalsozialistischen Politik hat daher Oswald Spengler die NS-Herrschaft als »die Organisation der Arbeitslosen durch die Arbeitsscheuen« charakterisiert.

Vgl. Koktaknek, Spengler, Zitat S. 458; Fest, Hitler, S. 611 – 615; Kershaw, Hitler, Bd. 1, S. 359 f.; Feiber, Filiale, Zitat S. 176; Ullrich, Hitler, Bd. 1, S. 445 – 447, Zitat S. 446.

5 Das sollte die NS-Führung nach 1933 nicht daran hindern, ihre Anhänger, allen voran die »Alten Kämpfer«, zu protegieren und in Positionen zu bringen, denen sie mitunter kaum gewachsen waren. Je höher diese Positionen waren, desto krasser konnte sich dies auswirken. Ein besonders bekanntes wie markantes Beispiel dafür sind die Karrieren der Gauleiter der NSDAP. Bei ihnen handelte es sich in der Regel um »Alte Kämpfer«, die im Dritten Reich auch dann zur hierarchisch höchsten Funktionselite des NS-Regimes aufstiegen, wenn sie nur über eine mäßige Intelligenz und durchschnittliche Fähigkeiten verfügten. Schon deshalb wurden während der Jahre 1933 bis 1945 immer wieder Neubesetzungen bei den höheren Funktionären der NSDAP unausweichlich.

Vgl. Hüttenberger, Gauleiter; Ziegler, Gaue; Humann, »Alte Kämpfer«; Kap. II/2, Anm. 168.

11. Kapitel
Propaganda und Organisation

Das Jahr 1921 hatte noch#1930: gestrichen: noch in anderer#1930: anderer ersetzt durch: mehrfacher Hinsicht für mich und die Bewegung eine besondere Bedeutung erhalten.

Nach meinem Eintritt in die Deutsche Arbeiterpartei übernahm ich sofort die Leitung der Propaganda.1 Ich hielt dieses Fach für das augenblicklich weitaus wichtigste. Es galt ja zunächst weniger, sich den Kopf über organisatorische Fragen zu zerbrechen, als die Idee selbst einer größeren Zahl von Menschen zu vermitteln. Die Propaganda mußte der Organisation weit voraneilen und dieser erst das zu bearbeitende Menschenmaterial2 gewinnen. Auch bin ich#1937: bin ich ersetzt durch: ich bin;
1939: bin ich ein Feind von zu schnellem und zu pedantischem Organisieren.3 Es kommt dabei meist nur ein toter Mechanismus heraus, aber selten eine lebendige Organisation. Denn Organisation ist etwas, das dem organischen Leben, der organischen Entwicklung sein Bestehen zu verdanken hat. Ideen, die eine bestimmte Anzahl von Menschen erfaßt haben, werden immer nach einer gewissen Ordnung streben, und diesem inneren Ausgestalten kommt sehr großer Wert zu. Man hat aber auch hier mit der Schwäche der Menschen zu rechnen, die den einzelnen verleitet, sich wenigstens anfangs instinktiv gegen einen überlegenen Kopf zu stemmen. Sowie eine Organisation von oben herab mechanisch aufgezogen wird, besteht die große Gefahr, daß ein einmal eingesetzter, selbst noch nicht genau erkannter und vielleicht wenig fähiger Kopf aus Eifersucht das Emporkommen tüchtigerer Elemente innerhalb der Bewegung zu hindern suchen wird.4 Der Schaden, der in einem solchen Falle#1944: Falle ersetzt durch: Fall entsteht, kann, besonders bei einer jungen Bewegung, von verhängnisvoller Bedeutung sein.5

Aus diesem Grunde#1944: Grunde ersetzt durch: Grundsatze ist es zweckmäßiger, eine Idee zuerst#1930: zuerst ersetzt durch: erst eine Zeit-

11. KapitelPropaganda und Organisation

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