Zug nach Koburg<span class="Fussnoten_im_Text" id="fm-Fn229Chap9-volII-p163"><a href="#Fn229Chap9-volII-p163" onclick="scrollBody(140)">229</a></span> <span class="pagenumber">[196]</span>

229 Auf‌fallend ist die hier verwandte Schreibweise des Ortsnamens mit »K«, obwohl die Regierung von Oberfranken bereits am 30. 10. 1920 eine Schreibung von Coburg mit »C« festgelegt hatte. Historisch lässt sich sowohl der Ortsname »Coburg« als auch »Koburg« oder »Koburgk« nachweisen. 1879 ließ Ernst II. Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha die Schreibweise von Coburg prüfen und holte dafür sogar ein Gutachten des Schriftstellers Gustav Freytag ein. Dieser empfahl »die Schreibung mit K«, da es sich hier um »ein deutsches Wort« handele. So gesehen hat die von Hitler verwendete Orthografie also durchaus Symbolfunktion. Das 1826 entstandene Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha sowie der 1919 entstandene Freistaat Coburg blieben jedoch bei der Schreibung mit »C«. Auch nach 1933 behielt man die Schreibung mit »C« bei.

Vgl. Heins, Coburg; Sandner, Coburg, S. 74.

231 Die »Deutschen Tage« waren Versuche, das heterogene völkische Lager zu sammeln. Der erste dieser Tage hatte bereits am 5. 10. 1913 in Eisenach stattgefunden; in seinem Verlauf wurde eine Deutschvölkische Vereinigung mit einer Hauptstelle in Berlin gegründet. Nach Ende des Ersten Weltkriegs und der Gründung des DVSTB im Februar 1919 folgten insgesamt sechs weitere »Deutsche Tage«: in Weimar (1. – 3. 10. 1920), Detmold (14.– 17. 10. 1921), Coburg (14. – 15. 10. 1922), Nürnberg (1. – 2. 9. 1923), Bayreuth (30. 9. 1923) und Halle (11. 5. 1924). Begleitet wurden diese Veranstaltungen, zu denen Tausende, mitunter auch Zehntausende Besucher kamen, von einem Rahmenprogramm, zu dem etwa in Coburg eine »Deutsche Andacht«, Theaterspiele, Rezitationen, eine »Bannerweihe« und vor allem Aufmärsche und Reden gehörten. Dabei war der dritte »Deutsche Tag« in Coburg – den der Lehrer Hans Dietrich vorbereitete und den auch der ehemalige Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha unterstützte – nicht nur als Demonstration für die Ziele der völkischen Bewegung gedacht, sondern auch als Protestaktion, nachdem der DVSTB als Reaktion auf die Ermordung Walther Rathenaus am 24. 6. 1922 fast im gesamten Deutschen Reich – mit Ausnahme von Bayern, Anhalt und Mecklenburg-Strelitz – verboten worden war.

Vgl. BA, NS 26 – 2054: Flugblatt »Dritter Deutscher Tag in Koburg, Tagesordnung und Verhandlungsplan«; Lohalm, Radikalismus, S. 31, 98 f., 103, 128 f., 204, 264 f.; Kap. II/1, Anm. 45.

233 Nachdem Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha am 14. 11. 1918 seinen Rücktritt erklärt hatte, war die Personalunion der beiden Herzogtümer Gotha und Coburg aufgehoben, sodass aus den beiden divergierenden Landesteilen der Freistaat Sachsen-Gotha und der Freistaat Coburg entstand. Während sich der erste am 1. 5. 1920 mit sechs weiteren Frei- und Volksstaaten zum Land Thüringen vereinigte, verhandelte der Freistaat Coburg mit Thüringen, Preußen und Bayern über einen Zusammenschluss. Da das bayerische Angebot am Erfolg versprechendsten war, entschieden sich am 30. 11. 1919 bei einer Volksabstimmung 88,28 % der Coburger Wähler für einen Zusammenschluss mit dem Freistaat Bayern. Die offizielle Vereinigung am 1. 7. 1920 beendete die fast 600 Jahre dauernde staatliche Eigenständigkeit Coburgs.

Vgl. Gesetz- und Verordnungs-Blatt für den Freistaat Bayern Nr. 38 vom 23. 6. 1920, S. 336 – 343; RGBl. 1920, S. 842; Erdmann, Coburg, S. 5 – 70; Hambrecht, Vereinigung; Post/ Wahl (Hrsg.), Thüringen-Handbuch, S. 1 – 32.

237 Nach der Revolution im November 1918, die in Coburg recht friedlich verlaufen war, begannen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Spannungen auch in dem ehemaligen Residenzstädtchen, in dem 1918 etwa 18.000 Menschen lebten, rasch an Schärfe zuzunehmen. 1920 kam es zu den ersten gewalttätigen Demonstrationen streikender Arbeiter, die am 3. 9. 1921 im »Blutsonnabend von Coburg« eskalierten: Verunsicherte Landespolizisten verloren bei einer Kundgebung die Nerven und gingen mit Schusswaffen und Handgranaten gegen die Demonstranten vor; 20 Menschen wurden verletzt, einer davon tödlich. Auch zwischen den Anhängern der politischen Linken und Rechten – auf der einen Seite SPD und KPD, auf der anderen DNVP, Jungdeutscher Orden und DVSTB – herrschte bald ein permanenter Kleinkrieg. Der Ankündigung des »Deutschen Tages«, erst recht aber eines Sonderzugs der Münchner NSDAP sah daher die »Coburger Arbeiterschaft […] mit wachsendem Mißtrauen« entgegen – so das Bezirksamt Coburg am 9. 10. 1922. Bereits im Vorfeld hatte das Coburger Volksblatt diese »provokatorischen Veranstaltungen« scharf kritisiert und versucht, zahlreiche Linksaktivisten zu mobilisieren. Die Regierung von Oberfranken und die Coburger Stadtverwaltung versuchten daraufhin in zwei Besprechungen am 11./12. 10. mithilfe eines Kompromisses die Lage zu deeskalieren: Der »Deutsche Tag« sollte stattfinden – allerdings ohne Umzüge mit Fahnen, Musik und ohne geschlossene Marschordnung. Es handelte sich also mitnichten um einen »Befehl« der Coburger Linksparteien.

Vgl. Russisches Kriegsarchiv Moskau (RGWA), fond 1355k, opis’, 1, delo 38, Privatkanzlei Adolf Hitler: Bezirksamt Coburg, Schreiben an das Regierungspräsidium von Oberfranken vom 9. 10. 1922 (Zitat); Erdmann, Coburg, S. 96 – 99; Albrecht, Avantgarde, S. 54 – 83.

Beweis für die psychologische und auch organisatorische Richtigkeit unserer Auf‌fassungen über den Ausbau der S.A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA.

Sie wurde nun auf der so erfolgreich bewährten Grundlage energisch erweitert, so daß schon wenige Wochen später die doppelte Zahl#1937: Zahl ersetzt durch: Anzahl;
1939: Zahl an Hundertschaften in München aufgestellt war.230

2. Der Zug nach Koburg im Oktober 1922.

»Völkische« Verbände beabsichtigten in Koburg einen sogenannten »Deutschen Tag« abzuhalten.231 Ich selbst erhielt eine Einladung hiezu#1930: hiezu ersetzt durch: hierzu mit dem Vermerk, daß es erwünscht wäre, wenn ich noch einige Begleitung mitbrächte. Dieses Ersuchen, das ich vormittags um elf Uhr in die Hand erhielt, kam mir sehr gelegen. Schon eine Stunde später waren die Anordnungen zu einem Besuch dieses deutschen Tages#1937: deutschen Tages ersetzt durch: Deutschen Tages;
1939: »Deutschen Tages« hinausgegeben. Als »Begleitung« bestimmte ich achthundert Mann der S.A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA., die in ungefähr vierzehn Hundertschaften232 von München aus durch Sonderzug nach dem bayerisch gewordenen Städtchen233 befördert werden sollten. Entsprechende Befehle gingen an nationalsozialistische S.A.-Gruppen#1937: S. A.-Gruppen ersetzt durch: SA.-Gruppen, die unterdes an anderen Orten gebildet worden waren, hinaus.

Es war das erstemal, daß in Deutschland ein derartiger Sonderzug fuhr.234 An allen Orten, an denen neue S.A.-Leute#1937: S. A.-Leute ersetzt durch: SA.-Leute einstiegen, erregte der Transport größtes Aufsehen.235 Viele hatten unsere Fahnen noch nie vorher gesehen; der Eindruck derselben war ein sehr großer.

Als wir in Koburg auf dem Bahnhof eintrafen, empfing uns eine Deputation der Festleitung des »Deutschen Tages«, die uns einen, als »Vereinbarung« bezeichneten Befehl der dortigen Gewerkschaften bzw.#1929: bzw. ersetzt durch: beziehungsweise der Unabhängigen [Sozialdemokraten] und der#1930: gestrichen: der Kommunistischen Partei übermittelte, des Inhalts, daß wir die Stadt nicht mit entrollten Fahnen, nicht mit Musik (wir hatten eine eigene zweiundvierzig#1929: zweiundvierzig ersetzt durch: zweiundzwanzig;
1930: zweiundvierzig Mann starke Kapelle mitgenommen236) und nicht in geschlossenem Zuge betreten dürften.237

Ich lehnte diese schmählichen Bedingungen sofort glatt ab, versäumte aber nicht, den anwesenden Herren der Leitung dieser Tagung mein Befremden darüber auszudrücken, daß mit diesen Menschen Verhandlungen gepflogen und Abkommen getroffen würden und erklärte, daß die S.A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA. augenblicklich in Hundertschaften