Band II, Kapitel 9
Rein sachlich kann eine Wehrausbildung eines Volkes nicht durch private Verbände durchgeführt werden, außer unter Beihilfe ungeheuerster staatlicher Mittel. Jeder andere Glaube fußt auf großer Überschätzung eigenen Könnens.169 Es ist nun einmal ausgeschlossen, daß man mit sogenannter »freiwilliger Disziplin« über einen bestimmten Umfang hinaus Organisationen aufbauen kann, die militärischen Wert besitzen. Es fehlt hier die wichtigste Stütze der Befehlsgewalt, nämlich die Strafgewalt. Wohl war es im Herbst oder besser noch im Frühjahr 1919 möglich, sogenannte »Freikorps« aufzustellen170, allein nicht nur, daß sie damals zum größten Teil durch die Schule des alten Heeres171 gegangene Frontkämpfer besaßen, sondern die Art der Verpflichtung, die sie den einzelnen auferlegten, unterwarf diese wenigstens auf befristete Zeit ebenso unbedingt dem militärischen Gehorsam.172
Dies fehlt einer freiwilligen »Wehrorganisation« von heute vollständig. Je größer ihr Verband wird, um so schwächer wird die Disziplin, um so geringer dürfen die Anforderungen sein, die man im einzelnen an die Leute stellt, und um so mehr wird das Ganze den Charakter der alten unpolitischen Krieger- und Veteranenvereine annehmen.173
Eine freiwillige Erziehung zum Heeresdienst ohne sichergestellte unbedingte Befehlsgewalt wird in großen Massen nie durchzuführen sein. Es werden immer nur wenige die Bereitwilligkeit besitzen, sich aus freien Stücken einem Zwang zum Gehorsam zu unterwerfen, wie er beim Heere als selbstverständlich und natürlich gilt#1944: gilt ersetzt durch: galt.
Weiter läßt sich eine wirkliche Ausbildung nicht durchführen infolge der lächerlich geringen Mittel, die für einen solchen Zweck einem sogenannten Wehrverbande zur Verfügung stehen.174 Die beste, zuverlässigste Ausbildung müßte aber gerade die Hauptaufgabe einer solchen Institution sein. Seit dem Kriege sind nun acht Jahre verflossen, und seit dieser Zeit ist kein Jahrgang unserer deutschen Jugend mehr planmäßig ausgebildet worden.175 Es kann aber doch nicht die Aufgabe eines Wehrverbandes sein, die bereits ausgebildeten Jahrgänge von einst zu erfassen, da man ihm sonst sofort mathematisch vorrechnen kann, wann das letzte Mitglied diese Korporation