Band II, Kapitel 9
tät einen neuen Machtfaktor zu schaffen. Wie die Dinge lagen, konnte sie diesen nur aus Anhängern einer ihr eigentlich entgegengesetzten Weltanschauung gewinnen. Aus ihnen allein konnte dann auch langsam ein neuer Heereskörper erstehen#1933: erstehen ersetzt durch: entstehen, der, äußerlich begrenzt durch die Friedensverträge95, in seiner Gesinnung im Laufe der Zeit zu einem Instrument der neuen Staatsauffassung umgeformt werden mußte.
Legt man sich die Frage vor, wieso, abgesehen von allen wirklichen Fehlern des alten Staates, welche zur Ursache wurden, die Revolution als Aktion gelingen konnte, so kommt man zu dem Ergebnis:
1. infolge der Erstarrung unserer Begriffe von Pflichterfüllung und Gehorsam und
2. infolge der feigen Passivität unserer sogenannten staatserhaltenden Parteien.96
Hierzu sei noch folgendes gesagt:
Die Erstarrung unserer Begriffe von Pflichterfüllung und Gehorsam hat seinen#1933: seinen ersetzt durch: ihren [sic!] letzten Grund in unserer gänzlich anationalen und immer nur rein staatlichen Erziehung.97 Daraus resultiert auch hier die Verkennung von Mittel und Zweck. Pflichtbewußtsein, Pflichterfüllung und Gehorsam sind nicht Zwecke an sich, genau so wenig, wie der Staat ein Zweck an sich ist98, sondern sie sollen alle die Mittel sein, einer Gemeinschaft seelisch und physisch gleichartiger Lebewesen die Existenz auf dieser Erde zu ermöglichen und zu sichern.99 In einer Stunde, da ein Volkskörper sichtlich zusammenbricht und allem Augenscheine nach der schwersten Bedrückung ausgeliefert wird, dank des Handelns einiger Lumpen, bedeuten Gehorsam und Pflichterfüllung diesen gegenüber doktrinären Formalismus, ja reinen Wahnwitz, wenn andererseits durch Verweigerung von Gehorsam und »Pflichterfüllung« die Errettung eines Volkes vor seinem Untergang ermöglicht würde.100 Nach unserer heutigen bürgerlichen Staatsauffassung hat der Divisionär101, der seinerzeit von oben den Befehl erhielt, nicht zu schießen, pflichtgemäß und damit recht gehandelt, indem er nicht schoß, da der bür-