Band II, Kapitel 2
b) Die zweite Gruppe von Menschen ist der Zahl nach schon etwas kleiner, da zu ihr diejenigen gerechnet werden müssen, die an das Vorhandensein eines Staates wenigstens einige Bedingungen knüpfen. Sie wünschen nicht nur gleiche Verwaltung, sondern auch, wenn möglich gleiche Sprache, wenn auch nur aus allgemein verwaltungstechnischen Gesichtspunkten heraus. Die Staatsautorität ist nicht mehr der alleinige und ausschließliche Zweck des Staates, sondern die Förderung des Wohles der Untertanen kommt hinzu. Gedanken von »Freiheit«, und zwar meist mißverstandener Art, schieben sich in die Staatsauffassung dieser Kreise ein. Die Regierungsform erscheint nicht mehr unantastbar durch die Tatsache ihres Bestehens an sich, sondern wird auf ihre Zweckmäßigkeit hin geprüft. Die Heiligkeit des Alters schützt nicht vor der Kritik der Gegenwart. Im übrigen ist es eine Auffassung, die vom Staate vor allem die günstige Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens des einzelnen erwartet, die mithin von praktischen Gesichtspunkten aus urteilt#1929: urteilt ersetzt durch: und
1937: allgemeinen ersetzt durch: allgemein;
1939: allgemeinen;
1944: allgemein nach allgemeinen# wirtschaftlichen Rentabilitätsanschauungen#1929: eingefügt: urteilt. Die hauptsächlichsten Vertreter dieser Ansichten treffen wir in den Kreisen unseres normalen deutschen Bürgertums, besonders in denen unserer liberalen Demokratie.10
c) Die dritte Gruppe ist ziffernmäßig die schwächste.
Sie erblickt im Staat bereits ein Mittel zur Verwirklichung von meist sehr unklar vorgestellten machtpolitischen Tendenzen eines sprachlich ausgeprägten und geeinten Staatsvolkes. Der Wille nach einer einheitlichen Staatssprache äußert sich dabei nicht nur in der Hoffnung, diesem Staat damit ein tragfähiges Fundament für äußeren Machtzuwachs zu schaffen, sondern nicht minder in der – übrigens grundfalschen – Meinung, dadurch in einer bestimmten Richtung eine Nationalisierung durchführen zu können.
Es war in den letzten hundert Jahren ein wahrer Jammer, sehen zu müssen, wie in diesen Kreisen, manchmal im besten Glauben, mit dem Worte »Germanisieren« gespielt wurde. Ich#1929: eingefügt: selbst erinnere mich noch selber#1929: selber ersetzt durch: daran, wie in meiner Jugend gerade diese Bezeichnung zu ganz unglaublich falschen Vorstellungen verleitete. Selbst in alldeutschen Kreisen konnte man damals die Meinung hören, daß dem