Marxismus und demokratisches Prinzip <span class="pagenumber">[4]</span>

10 Seit Gründung des Kartells der schaffenden Stände im August 1913 war dieser Ausdruck politisch stark aufgeladen. Das Kartell wurde durch den Reichsdeutschen Mittelstandsverband initiiert, der Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg am 19. 2. 1912 mit Blick auf die Wahlerfolge der SPD über seine Absicht informierte, eine »Interessengemeinschaft aller selbstständigen produktiven Stände« zu organisieren, um die »immer höher steigende rote Flut einzudämmen«. Mit diesem Ziel ging der Mittelstandsverband eine Allianz mit dem Bund der Landwirte, dem Centralverband Deutscher Industrieller und der Vereinigung der Christlichen Bauernvereine ein. Der politische Einfluss des Kartells, das von Gustav Stresemann und anderen Kritikern rasch als »Kartell der raffenden Hände« verspottet wurde, blieb letztlich marginal.

Vgl. Puhle, Interessenpolitik, S. 162 – 164; Nipperdey, Geschichte 1866 – 1918, Bd. 2, S. 591; Winkler, Weg (2002), Bd. 1, S. 322 f., Zitat S. 323.

12 Nach dem von Karl Marx und Friedrich Engels vertretenen Geschichtsverständnis handelte es sich bei der parlamentarischen Demokratie nur um eine Zwischenstufe auf dem Weg zur »klassenlosen Gesellschaft«. Engels prognostizierte bereits 1847, die Demokratie werde »dem Proletariat ganz nutzlos sein«, sollte sie »nicht sofort als Mittel zur Durchsetzung weiterer, direkt das Privateigentum angreifender […] Maßregeln benutzt« werden. 1894 bezeichnete er es zudem als »unpassend«, dass die »direkt kommunistisch« orientierte SPD den Begriff »sozialdemokratisch« im Namen trage, bestehe ihr »politisches letztes Endziel« doch in der »Überwindung des ganzen Staates, also auch der Demokratie«. Die KPD blieb diesen Prinzipien treu und vertrat während der Weimarer Republik eine scharf antiparlamentarische Position.

Vgl. Marx/ Engels, Werke, Bd. 4, Zitat S. 373; Marx/ Engels, Werke, Bd. 22, Zitat S. 418; Mocek, Demokratieverständnis, S. 130 – 167; Scharrer, Diktatur.

15 Bei den Trägern der Novemberrevolution von 1918 handelte es sich mitnichten nur um marxistisch orientierte Gruppen. Der von den aufständischen Kieler Matrosen erhobene, für den weiteren Revolutionsverlauf beispielgebende Forderungskatalog vom 4. 11. 1918 (»14 Kieler Punkte«) stand vor allem im Zeichen einer Neuordnung der innerdienstlichen Verhältnisse. Marxistisches Ideengut spielte hier keine Rolle, vielmehr wurden »Maßnahmen zum Schutze des Privateigentums« explizit befürwortet. Auch in der Folgezeit war der Rückhalt radikalrevolutionärer Vereinigungen, etwa des Spartakusbunds um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, in den Arbeiter- und Soldatenräten sowie in den Betrieben eher gering. Spätestens nach dem Austritt der USPD-Mitglieder aus dem Rat der Volksbeauftragten am 28. 12. 1918 war der Einfluss der SPD dominant, die – entgegen der Verleumdungen Hitlers und anderer völkischer Ideologen – für eine parlamentarische Demokratie optierte und gerade nicht für einen radikalen Systemwechsel nach marxistischer Vorstellung.

Vgl. Kluge, Soldatenräte, S. 42 f., 89 f.; Gusy, Reichsverfassung, S. 12; Ullrich, Revolution, S. 28 – 32.

vorne. Bei der granitenen Dummheit unserer Menschheit wundere man sich nicht über den Erfolg. Geleitet durch seine Presse und geblendet vom neuen verlockenden Programm kehrt das »bürgerliche« wie das »proletarische« Stimmvieh wieder in den gemeinsamen Stall zurück und wählt seine alten Betrüger.

Damit verwandelt sich der Volksmann und Kandidat der schaffenden Stände10 wieder in die parlamentarische Raupe und frißt sich am Gezweig des staatlichen Lebens weiter dick und fett, um sich nach vier Jahren wieder in den schillernden Schmetterling zu verwandeln.

Es gibt kaum etwas Deprimierenderes, als diesen ganzen Vorgang in der nüchternen Wirklichkeit zu beobachten, diesem sich immer wiederholenden Betrug zusehen zu müssen.

Aus solchem geistigen Nährboden schöpft man im bürgerlichen Lager freilich nicht die Kraft, den Kampf mit der organisierten Macht des Marxismus auszufechten.11

Ernstlich denken die Herrschaften ja#1937: gestrichen: ja; 1939: wieder eingefügt: ja; 1944: wieder gestrichen: ja auch nie daran. Bei aller zugegebenen Beschränktheit und geistigen Inferiorität dieser parlamentarischen Medizinmänner der weißen Rasse, können sie selber sich nicht im Ernste einbilden, auf dem Wege einer westlichen Demokratie gegen eine Lehre anzukämpfen, für welche die Demokratie samt allem, was drum und dran hängt, im besten Falle ein Mittel zum Zweck ist, das man anwendet, um den Gegner zu lähmen und dem eigenen Handeln freie Bahn zu schaffen.12 Wenn nämlich ein Teil des Marxismus zur Zeit#1937: zur Zeit ersetzt durch: zurzeit;
1939: zur Zeit auch in äußerst kluger Weise die unzertrennliche Verbindung mit den Grundsätzen der Demokratie vorzutäuschen versucht13, dann möge man doch gefälligst nicht vergessen, daß in der kritischen Stunde14 diese Herrschaften sich um eine Majoritätsentscheidung nach westlich-demokratischer Auf‌fassung einen Pfifferling kümmerten! Es war dies in den Tagen, als die bürgerlichen Parlamentarier die Sicherheit des Reiches in der monumentalen Borniertheit einer überragenden Zahl garantiert sahen, während der Marxismus mit einem Haufen von Straßenstrolchen, Deserteuren, Parteibonzen und jüdischen Literaten kurzerhand die Macht an sich riß, der Demokratie solcher Art eine schallende Maulschelle versetzend.15 Da#1929: Da ersetzt durch: Daher gehört dann aber#1929: gestrichen: aber schon das gläubige