Band II, Einleitung 9. Kapitel
Dieses Kapitel ist in seiner disparaten Struktur und in seinen zeitlich weit auseinanderliegenden Entstehungsphasen beispielhaft für die Abfassung des zweiten Bands von Mein Kampf. Es besteht aus drei inhaltlich sehr unterschiedlichen Teilen, die zu verschiedenen Zeiten entstanden sind:
(1) Die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Revolution von 1918 am Beginn dieses Kapitels (S. 163 – 180) dürfte Ende Februar 1926 entstanden sein; bei diesem Teil gibt es sehr große Übereinstimmungen mit Passagen aus Hitlers Rede vor dem Hamburger Nationalklub von 1919, die er am 28. Februar 1926 hielt.1
(2) Der Schlussteil des Kapitels (S. 193 – 201) hingegen ist reine Parteihistorie. Auch sie gibt Hinweise auf die Entstehungsgeschichte: Hitlers Bemerkung über die Ereignisse am 1. Mai 1923, wonach es »nicht zweckmäßig« wäre, »in aller Öffentlichkeit darüber zu reden oder zu schreiben«, bezieht sich auf das Meineidverfahren, das Anfang April 1926 gegen ihn und Hermann Esser eingeleitet wurde.2 Durch eine Verurteilung wäre Hitlers Lage, der nur auf Bewährung aus der Haft entlassen worden war, sehr schwierig geworden. Das spricht dafür, dass seine Ausführungen nach Beginn des Verfahrens niedergeschrieben wurden.
(3) Als Verbindungsstück zwischen diesen beiden Abschnitten fungiert jener Teil, der dem gesamten Kapitel den Namen gegeben hat und in dem Hitler erläutert, warum die SA künftig weder ein militärisch organisierter Wehrverband noch eine Geheimorganisation sein solle (S. 181 – 193). Mit dem Ausscheiden Ernst Röhms Ende April 1925 aus der SA3 war diese Frage zwar grundsätzlich entschieden, doch hatte sich Hitler mit seinem Konzept damals noch längst nicht endgültig durchgesetzt. Immer wieder musste er auf den neuen Charakter der SA hinweisen.4 Am 1. November 1926 wurde eine zentrale SA-Führung eingerichtet, am selben Tag veröffentlichte Hitler den SA-Befehl 1 in Form seines Briefs »an Hauptmann v. Pfeffer«; diese Anordnung ist im Wesentlichen mit dem Mittelstück dieses Kapitels identisch.5