Band II, Einleitung 1. Kapitel
Das erste Kapitel des zweiten Bands von Mein Kampf hat eine doppelte Aufgabe: Einerseits soll es die Verbindung zum ersten Band herstellen, andererseits greift es den Anspruch auf, der dort am Ende formuliert ist: eine eingehende Erörterung der »programmatischen Grundlagen der Bewegung«. Als Verbindungselemente dienen Hitler die Versammlung der DAP vom 24. Februar 1920 und das dort beschlossene Parteiprogramm. Doch wird in diesem Kapitel nicht die Parteigeschichte fortgesetzt.1 Stattdessen greift Hitler andere Themen aus dem ersten Band wieder auf, etwa die Auseinandersetzung mit dem Begriff »völkisch«.2 Diese Abschnitte besitzen jedoch nicht mehr jene hohe Emotionalität, die im Kapitel Die erste Entwicklungszeit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (I/12) noch spürbar ist. Inzwischen hatte Hitler die Auseinandersetzungen mit den Völkischen in Norddeutschland, die vor allem im Frühjahr 1925 ausgebrochen waren3, für sich entschieden. Das Gleiche gilt für Hitlers gelassene Hinweise auf das Parteiprogramm, das nun innerhalb der NSDAP nicht mehr infrage stand.
Die Entstehungszeit des Kapitels lässt sich präzise angeben; bis Mitte Oktober 1926 wurde ein Überblick über den Inhalt des kommenden zweiten Bands zusammengestellt, der im Nationalsozialistischen Jahrbuch 1927 erschien. Dort war ein Hinweis auf dieses Kapitel noch nicht enthalten.4 Damit zählt es – neben dem Kapitel Persönlichkeit und völkischer Staatsgedanke (II/4) – zu den am spätesten entstandenen Teilen von Mein Kampf. Mit Hochdruck arbeitete Hitler im Oktober/November 1926 an diesen letzten Passagen, wie mehrere Berichte belegen.5 Mit den ganz unterschiedlichen Themen, die Hitler in diesem Kapitel aufgreift, versuchte er nochmals Struktur und Zielsetzung der NSDAP zusammenzufassen. Im gleichzeitig entstandenen Kapitel II/4 steht hingegen stärker das Konzept eines künftigen nationalsozialistischen Staates im Mittelpunkt. In den beiden dazwischenliegenden Kapiteln, die bereits früher entstanden sind, beschäftigt sich Hitler vornehmlich mit den Aufgaben dieses Staates und mit Fragen der Staatsangehörigkeit. Damit stellen die ersten vier Kapitel des zweiten Bands zwar nicht entstehungsgeschichtlich, jedoch strukturell eine gewisse Einheit dar; gemeinsam mit dem Kapitel Weltanschauung und Organisation (II/5) bilden sie inhaltlich einen ersten großen Block programmatischer Darstellungen.