Der Werdegang des Judentums <span class="pagenumber">[328]</span>

145 Anspielung auf die Judenpogrome des Mittelalters. Der von der Kirche geschürte Hass gegen Andersgläubige führte vor allem während der Kreuzzüge im 11.  – 13. Jahrhundert zu einem blutigen Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Christen und Juden. Als die Kreuzfahrerheere 1096 auf ihrem Weg ins Heilige Land durch Mitteleuropa zogen, richtete sich ihre Zerstörungswut zunächst gegen die geografisch viel näher gelegenen jüdischen Gemeinden in Deutschland; diese hatten Tausende Tote zu beklagen. Bei der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 kam es zu einem großen Massaker, dem neben den besiegten Muslimen auch viele Juden zum Opfer fielen. In England, das an den ersten beiden Kreuzzügen nicht teilnahm, fanden während des Dritten Kreuzzugs 1190 Pogrome gegen Juden statt. Anlass zu diesen Gewaltorgien waren indes nicht allein die Kreuzzüge. 1171 etwa wurden Juden in Blois (Frankreich) des Ritualmords beschuldigt und daraufhin die gesamte jüdische Gemeinde ausgelöscht. 1337 geschah Gleiches mit der jüdischen Gemeinde im niederbayerischen Deggendorf. Dort diente als Rechtfertigung die Legende der Hostienschändung. Als 1347 in Europa die Pest ausbrach, sahen sich die Juden immer wieder dem Vorwurf der Brunnenvergiftung ausgesetzt. 1348/49 wurden in Deutschland etwa 350 jüdische Gemeinden vernichtet.

Neben dem kirchlich propagierten Antijudaismus spielten dabei auch materielle Gründe eine Rolle. Seit der Frühen Neuzeit verschob sich der Schwerpunkt der Judenpogrome von West- nach Osteuropa. Zwischen 1648 und 1657 kosteten der ukrainische Kosakenaufstand unter Führung von Bogdan Chmielnicki gegen die polnische Regierung und die Eroberung Litauens und Weißrusslands durch Russland Zehntausenden Juden das Leben. Nach dem tödlichen Attentat auf den russischen Zaren Alexander II. im Jahr 1881 kam es ebenfalls zu Ausschreitungen gegen Juden. Am Ende des Ersten Weltkriegs verschlechterte sich die Situation der Juden in Osteuropa noch einmal dramatisch: Nachdem Polen 1918 die Unabhängigkeit erlangt hatte, überfielen und ermordeten polnische Truppen zahlreiche polnische Juden. Auch unter dem Russischen Bürgerkrieg (1917 – 1923) hatten die Juden schwer zu leiden. Nicht zufällig stammt der Begriff »Pogrom« (Zerstörung) aus dem Russischen. Die aus Hitlers Sicht jüngsten Ausschreitungen gegen Juden fanden während des Berliner »Scheunenviertelpogroms« am 5./6. 11. 1923 statt. Dabei nutzten völkische Agitatoren die durch Inflation und Lebensmittelknappheit erzeugten Ängste, um den Hass der Besitz- und Arbeitslosen gegen die im Berliner Scheunenviertel wohnenden Ostjuden zu lenken; viele von ihnen wurden misshandelt und ihre Geschäfte demoliert.

Vgl. Roth, Geschichte, S. 382 f., 453 – 455, 471 f.; Greive, Antisemitismus, S. 169 f., 173; Hilberg, Vernichtung, Bd. 1, S. 11 – 35; Zilkenat, Pogrom, S. 98 – 101; Czermak, Christen, S. 58 – 90, 105 f.; Franz/ Jilge, Rußland, S. 172 – 195; Dotterweich, Transformation; Schneidmüller, Katastrophenerinnerung, S. 398 – 401; Kap. II/2, Anm. 19; Kap. II/14, Anm. 67.

146 Schon Houston Stewart Chamberlain machte es »den Fürsten« in Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts zum Vorwurf, die angeblich »zersetzende Thätigkeit der Juden aus den schnödesten Gründen stets ermutigt, beschützt, gefördert« zu haben, »und zwar von dem ersten Säculum unserer Zeitrechnung an bis zum heutigen Tage.« Der alldeutsche Historiker Otto Bonhard schrieb 1921 unter dem Pseudonym »Otto Kernholt«: »Das große Unrecht deutscher Obrigkeiten, daß sie für Fremdstämmige ein unsittliches Sonderrecht zur besseren Ausbeutung der eigenen Schutzbefohlenen schufen, bleibt in voller Schwere zu ihrer Last. Die Schuld der Juden, daß sie sich solche Sonderrechte ausbedangen und gründlich ausnutzten, ist daneben die viel geringere.« Bonhards Bücher wurden in Alfred Rosenbergs Zeitschrift Der Weltkampf als Schriften beworben, die »unbedingt« in »jede Deutsche Bücherei gehören«.

Vgl. Der Weltkampf 2 (1925), Zitat S. 719; Chamberlain, Grundlagen, Bd. 1, Zitat S. 400; Kernholt, Ghetto, Zitat S. 16 (Herv. i. Orig.); Leutzsch, Karrieren, S. 206.

tungen gegen ihn kommt. Man beginnt sich den Fremden nun# 1926: gestrichen: nun immer näher anzusehen und entdeckt immer neue abstoßende Züge und Wesensarten an ihm, bis die Kluft zur unüberbrückbaren# 1930: zur unüberbrückbaren ersetzt durch: unüberbrückbar wird.

In Zeiten bitterster Not bricht endlich die Wut gegen ihn aus, und die ausgeplünderten und zugrundegerichteten# 1926: zugrundegerichteten ersetzt durch: zugrunde gerichteten Massen greifen zur Selbsthilfe, um sich der Gottesgeißel zu erwehren.145 Sie haben ihn im Laufe einiger Jahrhunderte kennengelernt und empfinden schon sein bloßes Dasein als gleiche Not wie die Pest.

e) Nun beginnt der Jude aber seine wahren Eigenschaften zu enthüllen. Mit widerlicher Schmeichelei macht er sich an die Regierungen heran, läßt sein Geld arbeiten und sichert sich# 1926: eingefügt: auf solche Art immer wieder den Freibrief auf solche Art# 1926: gestrichen: auf solche Art zu neuer Ausplünderung seiner Opfer. Wenn auch manchmal die Wut des Volkes gegen den ewigen Blutegel lichterloh aufbrennt, so hindert ihn dies nicht im geringsten, in wenigen Jahren schon wieder in dem kaum verlassenen Orte neuerdings aufzutauchen und das alte Leben von vorne zu beginnen. Keine Verfolgung kann ihn von seiner Art der Menschenausbeutung abbringen, keine ihn vertreiben, nach jeder ist er in kurzer Zeit wieder da, und zwar als der alte.

Um wenigstens das Allerärgste zu verhindern, beginnt man, den Boden seiner wucherischen Hand zu entziehen, indem man ihm die Erwerbung desselben einfach gesetzlich unmöglich macht.

f) In dem Maße, in dem die Macht der Fürsten zu steigen beginnt, drängt er sich immer näher an diese heran. Er bettelt um »Freibriefe« und »Privilegien«, die er von den stets in Finanznöten befindlichen Herren denn auch# 1926: gestrichen: denn auch gegen entsprechende Bezahlung gerne erhält. Was ihn dies# 1926: dies ersetzt durch: dieses auch kostet, so bringt er# 1926: so bringt er ersetzt durch: er bringt in wenigen Jahren das ausgegebene Geld mit Zins und Zinseszins wieder herein. Ein wahrer Blutegel, der sich an den Körper des unglücklichen Volkes ansetzt und nicht wegzubringen ist, bis die Fürsten selber wieder Geld brauchen und ihm das ausgesogene Blut höchst persönlich# 1937: höchst persönlich ersetzt durch: höchstpersönlich;
1939: höchst persönlich abzapfen.

Dieses Spiel wiederholt sich# 1930: eingefügt: immer von neuem, wobei die Rolle der sogenannten »deutschen Fürsten« eine# 1930: gestrichen: eine genau so erbärmliche als# 1930: erbärmliche als ersetzt durch: erbärmlich wie die der Juden selber ist.146 Sie waren wirklich die Strafe Gottes für ihre