Die Propaganda ein Mittel <span class="pagenumber">[186]</span>

7 Eine Kritik an der damaligen Reichsregierung, die von der deutschen Rechten immer wieder für das angebliche Versagen der deutschen Kriegspropaganda verantwortlich gemacht wurde. Pate stand auch hier Erich Ludendorff mit seinen Kriegserinnerungen: Die deutschen Reichskanzler hätten »nichts getan, um die Schäden zu heilen und das Volk aufzuklären. Sie hatten keine selbstschöpferischen Gedanken, sie haben das Volk nicht zusammengefasst und geführt wie die großen Diktatoren Clemenceau, Lloyd George und Wilson«. Andere Autoren sprachen gar von Verrat, da die Reichsregierung in den letzten Kriegswochen nicht mehr zur nationalen Verteidigung aufgerufen habe. Dieser haltlose Vorwurf – die OHL hatte damals bereits gegenüber der zivilen Führung eingestanden, dass der Krieg de facto verloren war – verschleiert, wie intensiv sich die Reichsregierung im Krieg für die Propaganda engagiert hatte, insbesondere durch die im März 1916 beim Generalstab des Feldheers eingerichtete Feldpressestelle und den Mitte 1917 eingeführten »Vaterländischen Unterricht«. Hinzu kommt, dass auch beim Militär Skepsis über den Wert von Propaganda laut wurde. So urteilte die Militärische Überwachungsstelle des I. Bayerischen Armee-Korps im April 1918: »Die ganze Hetzpropagandaliteratur […] ist mit einer ungemein armseligen Technik gearbeitet. Sie kommt im Ganzen mit zwei Kunstgriffen aus: mit der Schwarzweiss – oder Engelteufel – Methode und mit der Wiederholungs- oder Wiederkäumethode. […] Also: diese ganze Literatur, die auf einen kritisch gerichteten Einzelleser den kläglichsten Eindruck macht, ist lediglich auf Massensuggestion eingestellt.« Demgegenüber war Hitler zutiefst überzeugt von der propagandistischen Wirkung der permanenten Wiederholung.

Vgl. BayHStA, Kriegsarchiv, Handschriftensammlung, HS 2324 (Zitat); Ludendorff, Kriegserinnerungen, Zitat S. 293; Nicolai, Nachrichtendienst, S. 160 f.; Wrisberg, Weg, S. 10; Koszyk, Pressepolitik, S. 469; Lipp, Meinungslenkung, S. 47 – 57, 62 – 89; Anm. 28 in diesem Kapitel; Kap. I/7, Anm. 89.

8 Ähnliche Kritik findet sich in vielen zeitgenössischen Schriften. Der Berliner Publizist Gerhard Schultze Pfaelzer bemängelte 1923 etwa die »naive Werbearbeit der deutschen Propagandastellen im neutralen Auslande«: die deutsche Seite habe den eigenen Zusammenbruch »nicht nur indirekt durch Unterlassungssünden, durch falsche Einstellung zum Ausland […] mit vorbereitet, sondern auch im eigenen Lande die eigene Meinung nicht an die Zügel zu nehmen verstanden und damit den Zusammenbruch beschleunigt und vergrößert«. Auch Matthias Erzberger beschuldigte »die Militärs«, »die Psychologie des Krieges […] nicht erfaßt« zu haben: »Nahezu alle Tagesberichte sprachen nur von Sieg und Sieg. Die Niederlagen wurden verschwiegen oder so frisiert, daß nur wenige ganz Kundige sie verstanden. Diese Berichterstattung war gleich gefährlich nach innen wie nach außen; denn die Masse des deutschen Volkes fragte, warum denn der Frieden noch nicht komme, wenn man jeden Tag einen Sieg erlange.«

Vgl. Ludendorff, Kriegserinnerungen, S. 301; Erzberger, Erlebnisse, Zitat S. 7; Schultze Pfaelzer, Propaganda, Zitate S. 35, 154. 

9 Bei Kriegsausbruch besaß das Deutsche Reich keine von langer Hand vorbereiteten Kriegsziele. Die Folge war eine Vielzahl von Kriegszieldenkschriften, auch aus der Feder namhafter Verfasser wie Matthias Erzberger, Hugo Stinnes und – mit den radikalsten Forderungen – Heinrich Claß. All diese Entwürfe propagierten das Ziel einer deutschen Hegemonie in Europa sowie Annexionsforderungen auf Kosten Russlands, wobei Letztere je nach Autor sehr stark variierten. Am 9. 9. 1914 legte Reichskanzler Bethmann Hollweg dann Vorläufige Richtlinien über unsere Politik bei Friedensschluß vor, das sogenannte Septemberprogramm, das im Kern auf ein politisch und wirtschaftlich von Deutschland dominiertes Mitteleuropa zielte. Belgien sollte zu einem »Vasallenstaat« degradiert und zudem ein »zusammenhängende[s] mittelafrikanische[s] Kolonialreich« geschaffen werden. Mit diesem Programm waren die deutschen Kriegsziele jedoch weder verbindlich noch dauerhaft festgelegt, vielmehr variierten sie in der Folgezeit je nach Kriegsphase und -verlauf. Die Weigerung Bethmann Hollwegs, eindeutige Kriegsziele vorzugeben, war primär dadurch bedingt, dass er mit Blick auf die Sozialdemokratie den Anschein eines reinen Verteidigungskriegs aufrechterhalten wollte, zugleich jedoch bestrebt war, den Begehrlichkeiten der bürgerlichen Rechten entgegenzukommen, wie sie von einflussreichen Interessenverbänden wie dem Centralverband deutscher Industrieller, dem Bund der Landwirte oder dem Alldeutschen Verband formuliert wurden. Unter dem wachsenden Druck und Einfluss der OHL verschärften sich die deutschen Kriegsziele dann seit 1917. Weitreichende Annexionsziele wurden auf einer Konferenz der Mittelmächte in Bad Kreuznach am 23. 4. 1917 formuliert: Im Osten sollten Kurland, Litauen sowie Teile Livlands und Estlands annektiert werden, im Westen Luxemburg, Arlon und »die flandrische Küste mit Brügge sowie Lüttich«. Hinzu kamen der Wunsch nach »Grenzverbesserungen« in Elsass-Lothringen und der Anspruch auf eine politische, wirtschaftliche und militärische Dominanz über Polen. Ihren prekären Höhepunkt erreichten die Ambitionen der OHL dann im Frühjahr 1918, als Rumänien und das revolutionäre Russland aus dem Krieg ausschieden. Insbesondere Ludendorff forderte nun ein von der Ukraine bis nach Belgien reichendes autarkes Gebiet unter deutscher Hegemonie – ein Traumgebilde, das durch den weiteren Kriegsverlauf rasch Makulatur wurde.

Vgl. Fischer, Griff, Zitate S. 117 f., 456 f.; Soutou, L’or, bes.S. 15 – 107, 413 – 445, 559 – 745; Soutou, Kriegsziele (1994); Mommsen, Urkatastrophe, S. 56 – 66; Ullrich, Großmacht, S. 419 – 433, 517 f., 544 – 546; Münkler, Krieg, bes.S. 267 – 288; Leonhard, Büchse, bes.S. 176 f., 263, 744 f.

10 Den Aspekt der »Ehre« hatte in der Diskussion der 1920er Jahre schon der Militärhistoriker Hermann von Kuhl in den Vordergrund gerückt. Dreh- und Angelpunkt war dabei die Frage, wann und wie der Krieg hätte beendet werden sollen. In seiner viel gelesenen Broschüre zur Kriegslage im Herbst 1918 (1922) vertrat Kuhl die Auffassung, der Kampf sei zu früh beendet worden. Die »Ehre« hätte es verlangt, die Waffen erst dann zu strecken, wenn »jeder weitere Widerstand unmöglich war«, um dadurch »einen allzu ungünstigen Abschluß des Krieges zu verhindern«. Dieser These widersprach der Amtsgerichtsrat Ludwig Herz 1928 in einem Gutachten für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs im Jahr 1918: »War die Ehre der Nation bedroht? Es war keine Schande, einen Krieg gegen fünf Kontinente zu verlieren, und wenn die Sieger die Besiegten unter ein kaudinisches Joch zwangen, so trifft der Vorwurf nicht die, die nach heldenhaftem Kämpfen niedergeworfen waren.«

Hitlers Erhebung der »Ehre der Nation« zu einem Kriegsziel lässt sich zugleich als eine ideologische Rückprojektion verstehen: Das Deutsche Reich habe seit Sommer 1914 defensiv gegen eine Welt arglistiger Feinde gekämpft, um die späteren, »entehrenden« Versailler Vertragsbestimmungen zu verhindern. Dieses Denken erwies sich in der deutschen Rechten als durchaus anschlussfähig. Alfred von Wegerer, Herausgeber der Berliner Monatshefte, die bis 1929 unter dem Titel Die Kriegsschuldfrage. Monatsschrift für internationale Aufklärung erschienen, schrieb 1934, die »Ehre der deutschen Nation« sei »durch den Versailler Frieden aufs schwerste verletzt worden«. Nun, im Dritten Reich, sei die »Kriegsschuldlüge endlich beseitigt«.

Vgl. Kuhl, Kriegslage, Zitat S. 37 f. (Herv. i. Orig.); Herz, Geschichte, Zitat S. 138; Wegerer, Versailles, Zitate S. 1 f.; Heinemann, Niederlage, S. 98.

deren Belehrungen entgegenzunehmen, zum anderen# 1944: anderen ersetzt durch: andern Teil aber fehlte der ehrliche Wille hierzu# 1939: hierzu ersetzt durch: dazu;
1944: hierzu .7

Gab es nun# 1926: gestrichen: nun bei uns überhaupt eine Propaganda?

Leider kann ich darauf nur mit Nein antworten. Alles, was in dieser Richtung wirklich unternommen wurde, war so unzulänglich und falsch von Anfang an, daß es zum mindesten nichts nützte, manchmal aber geradezu Schaden anstiftete [sic!].

In der Form ungenügend, im Wesen psychologisch falsch: dies mußte das Ergebnis einer aufmerksamen Prüfung der deutschen Kriegspropaganda sein.8

Schon über die erste Frage scheint man sich nicht ganz klar geworden# 1937: klar geworden ersetzt durch: klargeworden;
1939: klar geworden;
1944: klargeworden zu sein, nämlich: Ist die Propaganda Mittel oder Zweck?

Sie ist ein Mittel und muß demgemäß beurteilt werden vom Gesichtspunkte# 1937: Gesichtspunkte ersetzt durch: Gesichtspunkt;
1939: Gesichtspunkte;
1944: Gesichtspunkt des Zweckes aus. Ihre Form wird aber# 1930: gestrichen: aber mithin eine zweckmäßige sein müssen zur# 1930: zweckmäßige sein müssen zur ersetzt durch: der Unterstützung des Zieles, dem sie eben# 1926: gestrichen: eben dient# 1930: dient ersetzt durch: dient, zweckmäßig angepaßte sein müssen . Es ist aber# 1930: gestrichen: aber auch klar, daß die Bedeutung des Zieles eine verschiedene sein kann vom Standpunkte des allgemeinen Bedürfnisses aus, und daß damit auch die Propaganda in ihrem inneren Werte# 1944: Werte ersetzt durch: Wert verschiedentlich# 1926: verschiedentlich ersetzt durch: verschieden bestimmt wird. Das Ziel, für das im Verlaufe des Krieges aber gekämpft wurde, war das erhabenste und gewaltigste, das sich für Menschen denken läßt: es war die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Volkes, die Sicherheit der Ernährung für die Zukunft9 und – die Ehre der Nation10; etwas, das trotz aller# 1944: aller ersetzt durch: der gegenteiligen Meinung von heute dennoch vorhanden ist oder besser sein sollte, indem eben Völker ohne eine Ehre# 1926: indem eben Völker ohne eine Ehre ersetzt durch: da eben Völker ohne Ehre die Freiheit und Unabhängigkeit früher oder später zu verlieren pflegen, was wieder nur einer höheren Gerechtigkeit entspricht, da ehrlose Lumpengenerationen keine Freiheit verdienen. Wer aber feiger Sklave sein will, darf und kann gar# 1937: gestrichen: gar; 1939: wieder eingefügt: gar keine Ehre haben, da ja diese sonst der allgemeinen Mißachtung in kürzester Zeit anheimfiele.

Zum# 1926: Zum ersetzt durch: Im Streit für sein# 1933: sein ersetzt durch: ein menschliches Dasein kämpfte das deutsche Volk, und diesen Streit zu unterstützen, war# 1930: war ersetzt durch: wäre der Zweck der Propaganda des Krieges# 1930: eingefügt: gewesen ; ihm zum Siege zu verhelfen, mußte das Ziel sein.