Band I, Kapitel 2
Um die Gunst dieses Hofes buhlen und in so unanständigen Formen, hieß die Würde der Nation preisgeben.
Dies war der erste Schatten, der mein geistiges Verhältnis zur »großen« Wiener Presse trüben sollte.
Wie vorher schon immer, verfolgte ich auch in Wien alle Ereignisse in Deutschland mit größtem Feuereifer, ganz gleich, ob es sich dabei um politische oder kulturelle Fragen handeln mochte. In stolzer Bewunderung verglich ich den Aufstieg des Reiches159 mit dem Dahinsiechen des österreichischen Staates.160 Wenn aber die außenpolitischen Vorgänge meist ungeteilte Freude erregten, dann die nicht so erfreulichen des innerpolitischen# 1937: innerpolitischen ersetzt durch: innenpolitischen;
1939: innerpolitischen;
1944: innenpolitischen Lebens oft trübe Bekümmernis. Der Kampf, der zu dieser Zeit gegen Wilhelm II. geführt wurde161, fand damals nicht meine Billigung. Ich sah in ihm nicht nur den Deutschen Kaiser, sondern in erster Linie den Schöpfer einer deutschen Flotte.162 Die Redeverbote, die dem Kaiser vom Reichstag auferlegt wurden, ärgerten mich deshalb so außerordentlich, weil sie von einer Stelle ausgingen, die in meinen Augen dazu aber auch wirklich keine Veranlassung besaß, sintemalen163 doch in einer einzigen Sitzungsperiode diese parlamentarischen Gänseriche mehr Unsinn zusammenschnatterten, als dies einer ganzen Dynastie von Kaisern in Jahrhunderten, eingerechnet ihre allerschwächsten Nummern, je gelingen konnte.
Ich war empört, daß in einem Staat, in dem jeder Halbnarr nicht nur das Recht# 1930: Recht ersetzt durch: Wort zu seiner Kritik für sich in Anspruch nahm, ja im Reichstag sogar als »Gesetzgeber« auf die Nation losgelassen wurde, der Träger der Kaiserkrone von der seichtesten Schwätzerinstitution164 aller Zeiten »Verweise« erhalten konnte.
Ich war aber noch mehr entrüstet, daß die gleiche Wiener Presse, die doch vor dem letzten Hofgaul noch die ehrerbietigste Verbeugung riß und über ein zufälliges Schweifwedeln aber auch# 1926: aber auch ersetzt durch: völlig;
1930: gestrichen: völlig außer Rand und Band geriet165, nun mit scheinbar besorgter Miene, aber, wie mir schien, schlecht verhehlter Boshaftigkeit ihren Bedenken gegen den Deutschen Kaiser Ausdruck verlieh. Es läge ihr ferne, sich etwa in die Verhältnisse des Deutschen Reiches einmischen zu wollen –