Band I, Kapitel 2
weil schwankend, auch schwachen und halben Durchführung selbst der notwendigsten Maßnahmen der Selbsterhaltung.
Erst wenn einmal eine Zeit nicht mehr von den Schatten des eigenen Schuldbewußtseins umgeistert ist, erhält sie mit der inneren Ruhe auch die äußere Kraft, brutal und rücksichtslos die wilden Schößlinge herauszuschneiden, das Unkraut auszujäten.
Da der österreichische Staat eine soziale Rechtsprechung und Gesetzgebung überhaupt so gut als gar nicht kannte, war auch seine Schwäche in der Niederkämpfung selbst böser Auswüchse in die Augen springend groß.60
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Ich weiß nicht, was mich nun zu dieser Zeit am meisten entsetzte: das wirtschaftliche Elend meiner damaligen Mitgefährten, die sittliche und moralische Rohheit# 1926: Rohheit ersetzt durch: Roheit oder der Tiefstand ihrer geistigen Kultur.61
Wie oft fährt nicht unser Bürgertum in aller moralischen Entrüstung empor, wenn es aus dem Munde irgendeines jämmerlichen Landstreichers die Äußerung vernimmt, daß es sich ihm gleich bleibe# 1937: gleich bleibe ersetzt durch: gleichbleibe;
1939: gleich bleibe;
1944: gleichbleibe , Deutscher zu sein oder auch nicht, daß er sich überall gleich wohl fühle, soferne# 1937: soferne ersetzt durch: sofern;
1939: soferne;
1944: sofern er nur sein nötiges Auskommen habe.
Dieser Mangel an »Nationalstolz« wird dann auf das tiefste beklagt und dem Abscheu vor einer solchen Gesinnung kräftig Ausdruck gegeben.
Wie viele haben sich aber schon die Frage vorgelegt, was denn nun eigentlich bei ihnen selber die Ursache ihrer besseren Gesinnung bildet?
Wie viele begreifen denn die Unzahl einzelner Erinnerungen an die Größe des Vaterlandes, der Nation, auf allen Gebieten des kulturellen und künstlerischen Lebens, die ihnen als Sammelergebnis eben den berechtigten Stolz vermitteln, Angehörige eines so begnadeten Volkes sein zu dürfen?
Wie viele ahnen denn, wie sehr der Stolz auf das Vaterland abhängig ist von der Kenntnis der Größe desselben auf allen diesen Gebieten?