Band I, Einleitung 5. Kapitel
Überlieferungsgeschichtlich stellt dieses Kapitel eine Besonderheit dar. Bereits im April und Mai 1925 erschien die erste Hälfte in verschiedenen völkischen Zeitungen als Vorabdruck. Auffällig ist, dass sich die Vorveröffentlichungen stilistisch vom Text der späteren Erstausgabe von Mein Kampf unterscheiden und nicht so stark mit Füllwörtern wie »nun« und »wohl« überladen sind. Zudem gehört Kapitel I/5 zu jenen Kapiteln, von denen sich Konzeptblätter aus Hitlers Hand erhalten haben, die aus der Zeit Ende Mai/Anfang Juni 1924 stammen. Diese Blätter belegen, dass Hitler ursprünglich lediglich ein einziges Kapitel zum Thema »Weltkrieg« plante. Erst in der späteren Ausarbeitung teilte er dieses in zwei selbstständige Abschnitte auf – das vorliegende Kapitel sowie das daran anschließende Kapitel Kriegspropaganda (I/6).
Beide Kapitel gehören zu den ersten, die Hitler auf Basis seines zuvor angefertigten Konzepts ausgearbeitet hat.1 Die Kürze des Konzepts – es besteht aus lediglich zwei Blättern – verdeutlicht, dass sich Hitler bei den Themen »Weltkrieg« und »Kriegspropaganda« sehr sicher fühlte und nur einige Stichworte als Gedankenstütze benötigte. Tatsächlich war er bis 1921 in seinen Reden immer wieder auf die angeblichen Ursachen des Weltkriegs eingegangen – ein Aspekt, den er in diesem Kapitel ausführlich thematisiert. Darüber hinaus übernahm Hitler, wie schon im Kapitel München(I/4), etliche Elemente aus seinem Artikel Warum mußte ein 8. November kommen? vom April 1924.2
Bis auf einige Ergänzungen folgte Hitler in der Ausarbeitung des Kapitels im Wesentlichen seinem Konzept. Lediglich an zwei Stellen durchbrach er es, um längere Passagen zum österreichisch-ungarischen Ultimatum an Serbien3 oder zur Kriegsschuldfrage sowie zu seiner »Feuertaufe« einzuschieben. Dass sich in diesem Kapitel letztlich nur wenig über Hitlers Zeit an der Westfront findet, hat verschiedene Gründe. Ursprünglich wollte Hitler darüber ein eigenes Buch schreiben, was er jedoch nie tat.4 Zudem war seine Kriegszeit bereits vor dem Erscheinen von Mein Kampf Gegenstand öffentlicher Diskussionen gewesen, sodass einige Informationen schon bekannt waren. Möglich ist aber auch, dass es Hitler – aus welchen Gründen auch immer – für besser hielt, sich auf wenige Angaben zu seinem Kriegsdienst zu beschränken, zumal damals noch viele seiner Kriegskameraden lebten, die als Zeitzeugen zu seiner Darstellung kritisch hätten Stellung nehmen können.