Vorwort zur digitalen Ausgabe
Die hier digital vorgelegte kritische Edition von Hitlers Mein Kampf erschien erstmals als zweibändiges Werk im Januar 2016 im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte. Der Termin ergab sich, weil 70 Jahre nach dem Tod des Diktators das vom Freistaat Bayern gehaltene Urheberrecht erlosch. Mit der Edition erfüllte das Institut eine doppelte Aufgabe: Zum einen machte es Mein Kampf als unentbehrliche Quelle zur Geschichte Hitlers und des Nationalsozialismus erstmals in Form einer kritisch erschlossenen und kommentierten Gesamtausgabe der Öffentlichkeit zugänglich. Zum anderen galt es der Gefahr entgegenzutreten, dass Hitlers Machwerk unkommentiert und gemeinfrei vagabundierte.
Wie der Rückblick zeigt, sind beide Ziele erreicht worden. Die Wissenschaft verfügt nun über eine in der Tiefe erschlossene Ausgabe des Originaltexts, die der Hitler-Forschung ein unentbehrliches Arbeitsinstrument zur Hand gibt. Zugleich erwies sich die zuvor häufig geäußerte Befürchtung, Hitlers rassistisches Konvolut könne aktuellen rechtsradikalen Tendenzen Auftrieb geben, als unbegründet. Die Erstellung des wissenschaftlich seriösen und öffentlich sichtbaren Referenzwerks, auf das sich von Beginn an die Aufmerksamkeit richtete, hat entsprechende Initiativen gar nicht erst aufkommen lassen.
Allerdings wurde bereits 2016 vielfach der Wunsch geäußert, die kritische Edition möge auch online zugänglich gemacht werden. Wenn das Institut für Zeitgeschichte diesem Anliegen nun mit der vorliegenden digitalen Version Folge leistet, so lässt es sich erneut von einer doppelten Zielvorstellung leiten. Unbestritten wird die digitale Zugänglichkeit mit ihren technisch avancierten Suchfunktionen die fachliche Arbeit mit dieser Quelle erleichtern und neue Methoden der Auswertung ermöglichen. Zugleich aber setzt die Online-Edition des IfZ erneut ein wichtiges Signal: Kostenfrei und damit letztlich für alle zugänglich, stellt sie den seit langem im Internet kursierenden Mein Kampf-Versionen aus meist sehr zweifelhaften Quellen einen seriösen, wissenschaftlich fundierten Referenzpunkt entgegen und leistet damit politisch-historische Aufklärung im besten Sinne. Dies gilt umso mehr, als die digitale mit der Printversion in Form und Inhalt identisch ist.
Die Erstellung dieser digitalen Version erforderte eine lange Vorbereitungszeit und beträchtliche Arbeit und Mühe. Hierfür zu danken ist erneut Rudolf Paulus Gorbach und Dagmar Natalie Gorbach, die schon die Printversion mit einem weitausschauenden Blick auf eine Online-Ausgabe einrichteten und diese mit großer Umsicht in Zusammenarbeit mit le-tex publishing services realisierten. Im Institut für Zeitgeschichte gilt der besondere Dank seinem Stellvertretenden Direktor Magnus Brechtken, der diesen Prozess langfristig mit großem Engagement begleitete. Andreas Nagel, Esther-Julia Howell, Simone Paulmichl, Michael Pilarski und Daniel Schlögl haben ebenfalls maßgeblich zum Gelingen beigetragen. Indes hätte ohne die langjährige, ebenso kundige wie akribische Mitarbeit von Angelika Reizle diese digitale Edition nicht in gleicher Präzision erstellt werden können. Ihr sei dafür besonders herzlich gedankt.
Das Institut für Zeitgeschichte hofft, mit dieser Online-Ressource der zeithistorischen Arbeit neue Impulse zu verleihen. Das gilt für die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte Hitlers, der völkischen Bewegung und des Nationalsozialismus ebenso wie für die akademische Lehre und die historisch-didaktische Vermittlung. Angesichts der Monstrosität des Gegenstandes bleiben die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Geschichte sowie ihre adäquate Darstellung für ein breiteres Publikum eine dauerhafte Aufgabe der Geschichtswissenschaft wie der historisch-politischen Bildungsarbeit.
München, den 14. Juni 2022
Andreas Wirsching
Direktor des Instituts für Zeitgeschichte
München–Berlin